Das Rad der Zeit 11. Das Original: Die Traumklinge (German Edition)
bewiesene Methoden sind immer schlampigen vorzuziehen …«
Beinahe hätte Alviarin gelächelt, während sie weiterging. Also war endlich jemandem aufgefallen, dass der Große Herr seine Hand auf die Burg gelegt hatte. Aber das Wissen würde ihnen nicht helfen, die Dinge zu ändern. Vielleicht hätte sie gelächelt, aber sie unterdrückte es, als jemand sprach.
»Ihr würdet auch das Gesicht verziehen, Ramesa, wenn man Euch jeden Morgen vor dem Frühstück den Riemen zu spüren geben würde«, sagte Norine viel zu laut, damit Alviarin es auch ja hören konnte. Ramesa, eine hochgewachsene schlanke Frau, deren Kleiderärmel mit silbernen Glöckchen verziert waren, wirkte überrascht, dass sie angesprochen wurde, und vermutlich war sie es auch. Norine hatte wenige Freunde, vielleicht auch gar keine. Sie fuhr fort, ihr Blick huschte zu Alviarin, um zu sehen, ob sie es gehört hatte. »Es ist irrational, eine Bestrafung privat zu nennen und dann so zu tun, als würde nichts geschehen, wenn die Amyrlin sie angeordnet hat. Andererseits ist ihre Rationalität meiner Meinung nach immer überschätzt worden.«
Glücklicherweise hatte es Alviarin nur noch ein kurzes Stück bis zu ihrem Gemach. Sorgfältig verschloss sie die Außentür und legte den Riegel vor. Nicht dass jemand sie stören würde, aber sie hatte nicht überlebt, indem sie Risiken einging, wenn sie es nicht unbedingt musste. Die Lampen waren entzündet, ein kleines Feuer brannte in dem weißen Marmorkamin, um die Kühle eines frühen Frühlingstages fernzuhalten. Wenigstens die Diener erfüllten noch immer ihre Pflichten. Aber selbst die Diener wussten Bescheid.
Stumme Tränen der Demütigung fingen an, ihr die Wangen hinunterzuströmen. Sie wollte Silviana umbringen, aber das hätte nur bedeutet, dass eine neue Herrin der Novizinnen sie jeden Morgen mit dem Riemen schlug, bis sich Elaida erweichen ließ. Aber Elaida würde sich niemals erweichen lassen. Sie zu töten wäre sinnvoller gewesen, aber solche Morde mussten sorgfältig rationiert werden. Zu viele unerklärte Todesfälle würden Fragen aufwerfen, möglicherweise gefährliche Fragen.
Und dennoch, sie hatte gegen Elaida getan, was sie konnte. Katerines Mitteilungen über diese Schlacht verbreiteten sich in der ganzen Schwarzen Ajah und darüber hinaus. Alviarin hatte gehört, wie Schwestern, die nicht zu den Schwarzen gehörten, detailliert über die Brunnen von Dumai sprachen, und wenn die Einzelheiten bei der Verbreitung ausführlicher geworden waren, umso besser. Bald würde sich auch die Nachricht über die Schwarze Burg hier verbreitet haben, vermutlich auf die gleiche Weise. Eine Schande, dass beides nicht ausreichen würde, damit Elaida entehrt und abgesetzt wurde, standen diese verfluchten Rebellen doch praktisch vor den Brücken, aber die Brunnen von Dumai und die Katastrophe in Andor, die über ihr schwebten, würden sie davon abhalten, das wieder rückgängig zu machen, was Alviarin geschafft hatte. Sie hatte den Befehl erhalten, die Weiße Burg von innen zu vernichten. In jeder Ecke der Burg Chaos und Unfrieden zu stiften. Einen Teil von ihr hatte dieser Befehl geschmerzt, tat es immer noch, aber der größere Teil ihrer Loyalität lag bei dem Großen Herrn. Elaida selbst hatte die erste Bresche in die Burg geschlagen, aber sie hatte die Hälfte so zerschlagen, dass sie nicht mehr zu reparieren war.
Unvermittelt wurde ihr bewusst, dass sie wieder ihre Stirn berührte, und sie riss die Hand nach unten. Dort war kein Zeichen, nichts, das man sehen oder fühlen konnte. Bei jedem Blick in den Spiegel kontrollierte sie es, obwohl sie es besser wusste. Und doch, manchmal glaubte sie, dass die Leute ihre Stirn anstarrten, etwas sahen, das sie selbst nicht sehen konnte. Das war unmöglich, irrational, doch der Gedanke schlich sich immer wieder bei ihr ein, ganz egal, wie oft sie ihn verjagte. Mit der Hand, die die Nachricht von dem Wandteppich hielt, wischte sie sich die Tränen aus dem Gesicht, dann holte sie die anderen beiden Nachrichten, die sie eingesammelt hatte, aus ihrer Gürteltasche und begab sich zu dem Schreibtisch an der Wand.
Es war ein einfacher Tisch, schmucklos wie alle ihre Möbel; vermutlich hatten die Handwerker einige davon ohne großen Einsatz gezimmert. Eine triviale Sache, solange Möbel die ihnen zugedachte Aufgabe erfüllten, spielte nichts weiter eine Rolle. Sie warf die drei Nachrichten neben einer kleinen gehämmerten Kupferschale auf den Tisch, holte einen
Weitere Kostenlose Bücher