Das Rad der Zeit 11. Das Original: Die Traumklinge (German Edition)
gesucht?« Yukiri stieß es beinahe knurrend hervor, die Fäuste in die Hüften gestemmt. Trotz ihrer mangelnden Größe bot sie eine überzeugende Darstellung grimmigen Überragens. Zweifellos lag das zum Teil daran, weil man sie überrascht hatte, aber sie vertrat noch immer die Ansicht, dass man Seaine zu ihrer eigenen Sicherheit lückenlos bewachen sollte, ganz egal, was Saerin entschieden hatte – und da stand die Frau, völlig allein und unterwegs.
»Nach Euch, nach Saerin, nach irgendjemandem«, erwiderte Seaine ruhig. Ihre Befürchtung, dass die Schwarze Ajah wusste, welche Aufgabe Elaida ihr übertragen hatte, war so gut wie verschwunden. In ihren blauen Augen lag Wärme, ansonsten war sie wieder die typische Weiße, eine Frau von eisiger gelassener Ruhe. »Ich habe dringende Neuigkeiten«, sagte sie in einem Tonfall, der das genaue Gegenteil besagte. »Zuerst das weniger Wichtige. Heute Morgen habe ich einen Brief von Ayako Norsoni gelesen, der vor mehreren Tagen eingetroffen ist. Aus Cairhien. Sie und Toveine und all die anderen sind von den Asha’man gefangen genommen worden und …« Sie legte den Kopf schief und musterte sie nacheinander. »Ihr seid nicht im Mindesten überrascht. Natürlich. Ihr habt auch Briefe gelesen. Nun, daran kann man im Augenblick sowieso nichts ändern.«
Pevara tauschte einen Blick mit Yukiri aus. Dann sagte sie: »Und das ist das weniger wichtige, Seaine?«
Die Selbstbeherrschung der Weißen Sitzenden wich Sorge, ihre Lippen spannten sich an, und in ihren Augenwinkeln traten Falten zum Vorschein. Ihre Hände ballten sich zu Fäusten und klammerten sich um die Stola. »Für uns ja. Ich war gerade bei Elaida. Sie wollte wissen, welche Fortschritte ich mache.« Seaine holte tief Luft. »Bei der Entdeckung von Beweisen, dass Alviarin eine verräterische Korrespondenz mit dem Wiedergeborenen Drachen begonnen hat. Sie war am Anfang so vage, so indirekt, dass es kein Wunder ist, dass ich ihre Wünsche falsch verstanden habe.«
»Ich glaube, gerade ist ein Fuchs über mein Grab gelaufen«, murmelte Yukiri.
Pevara nickte. Die Idee, Elaida auf die Schwarzen anzusprechen, war wie Morgentau verschwunden. Die einzige Sicherheit, dass Elaida keine Schwarze Ajah war, hatte darin bestanden, dass sie die Jagd auf sie eröffnet hatte, aber da sie das gar nicht getan hatte … Wenigstens wussten die Schwarzen Ajah nichts von ihnen. Wenigstens war es so gewesen. Aber wie lange noch?
»Über meins auch«, sagte sie leise.
Alviarin schritt äußerlich völlig gelassen durch die Korridore der unteren Burg, aber es kostete sie eine große Anstrengung. Trotz der Kandelaber schien die Nacht an den Wänden zu kleben, die Geister von Schatten tanzten dort, wo keine hätten sein dürfen. Sicherlich Einbildung, aber sie tanzten am Rand des Blickfeldes. Die Gänge waren so gut wie leer, obwohl die zweite Essensausgabe des Abends gerade geendet hatte. Heutzutage zogen die meisten Schwestern es vor, sich das Essen in ihre Gemächer bringen zu lassen, aber die zäheren und stureren begaben sich von Zeit zu Zeit in die Speisesäle, und eine Handvoll nahmen noch immer viele ihrer Mahlzeiten unten ein. Sie würde nicht riskieren, dass Schwestern sie durcheinander oder hektisch sahen; sie weigerte sich, in ihnen den Eindruck zu erwecken, dass sie verstohlen umherhuschte. In Wahrheit verabscheute sie es, dass sie überhaupt jemand ansah. Nach außen ganz ruhig scheinend, kochte sie innerlich.
Plötzlich wurde sie sich bewusst, dass sie die Stelle auf ihrer Stirn befingerte, an der Shaidar Haran sie berührt hatte. Wo der Große Herr selbst sie als sein Eigentum gezeichnet hatte. Bei diesem Gedanken stieg Hysterie beinahe bis zur Oberfläche auf, aber mit schierer Willenskraft behielt sie ein unbewegtes Gesicht bei und hob ihre weißen Seidenröcke ein kleines Stück an. Das sollte ihre Hände beschäftigen.
Der Große Herr hatte sie gezeichnet.
Besser, nicht daran zu denken. Aber wie sollte sie das vermeiden?
Der Große Herr …
Nach außen hin zeigte sie absolute Gelassenheit, aber innerlich war da ein brodelndes Gewirr aus Demütigung und Hass und beinahe wimmerndem Terror. Aber es war die äußerliche Ruhe, auf die es ankam. Und da war ein Funken Hoffnung. Auch das war wichtig. Eine seltsame Sache, um sie als hoffnungsvoll zu betrachten, aber sie würde sich an allem festklammern, das sie womöglich am Leben halten würde.
Sie blieb vor einem Wandteppich stehen, der eine Frau mit einer
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