Das Rad der Zeit 11. Das Original: Die Traumklinge (German Edition)
ihnen konnten gehen, aber viele konnten es auch nicht. Zu viele hatten Aderpressen um blutige Arm- oder Beinstümpfe geschlungen. Charlz und die Adligen scharten sich um Elayne und Birgitte, um den Angriffsplan zu erfahren, der notwendigerweise ganz einfach war, aber dann weigerte sich Chanelle, das Tor in eine andere Richtung zu lenken, bis Elayne versprach, dass sie dieses Mal nur Transport brauchten, und den Handel mit ihnen besiegelte, indem sich beide die Fingerspitzen küssten und einander auf die Lippen drückten. Erst dann schrumpfte das Wegetor zu einem vertikalen silbrigen Schlitz und verbreiterte sich wieder zu einem hundert Schritte breiten Ausblick auf Caemlyn aus südlicher Richtung.
In den aus Ziegeln erbauten Märkten zu beiden Seiten der großen Straße, die nördlich vom Wegetor bis zum Far-Madding-Tor verlief, waren keine Leute zu sehen, dafür drängte sich dort gerade außerhalb der Bogenschussweite der Stadtmauern eine riesige Masse von Männern zu Fuß und zu Pferd. Die ersten von ihnen befanden sich nur wenige hundert Schritte von dem Wegetor entfernt. Anscheinend hatten sie sich auch auf die Seitenstraßen ausgebreitet. Die Reiter mit ihren unzähligen Bannern standen ganz vorn, aber egal ob Kavallerie oder Infanterie, sie alle schauten zu den Toren von Caemlyn. Den verschlossenen Toren. Elayne hätte vor Freude jubeln können.
Sie ritt als Erste durch das Wegetor, aber Birgitte ging kein Risiko ein. Ihre Leibwache sammelte sich um sie und drängte sie zur Seite ab. Birgitte war direkt neben ihr, aber irgendwie schienen sie sie nicht zu leiten. Glücklicherweise schien niemand etwas dagegen zu haben, dass sie die graue Stute weiter antrieb, bis sich nur noch eine Reihe Gardistinnen zwischen ihr und der Straße befand. Diese Reihe hätte allerdings genauso gut ein Steinwall sein können. Die Stute war aber tatsächlich sehr groß, und so konnte sie sehen, ohne in den Steigbügeln stehen zu müssen. Sie hätte sie länger machen sollen. Sie waren etwas zu kurz für sie. Also war das Chesmals Pferd, da sie die Einzige war, die etwa an ihre Größe herankam. Ein Pferd konnte nicht von seinem Reiter verdorben werden – nur weil Chesmal eine Schwarze Ajah war, machte das das Pferd nicht zu einer bösen Kreatur –, aber ihr war nicht nur wegen der zu kurzen Steigbügel auf dem Tier unbehaglich zumute. Die graue Stute würde verkauft werden, sie und all die anderen Tiere, die die Schattenfreunde geritten hatten, und das Geld würde man unter den Armen verteilen.
Kavallerie und Infanterie kamen hinter Charlz aus dem Wegetor, genug Leute, um es auf seiner ganzen Breite zu füllen. Gefolgt von dem Weißen Löwen und der Goldenen Lilie, trabte er mit fünfhundert Gardisten die Straße hoch, die davor ausfächerten, um sie ganz einzunehmen. Weitere Gruppen von ähnlicher Größe trennten sich und verschwanden in den Straßen von Niedercaemlyn. Als die letzten Männer das Tor verlassen hatten, schrumpfte es zusammen und verschwand. Jetzt gab es keine schnelle Flucht mehr, falls etwas schieflief. Jetzt mussten sie siegen, oder Arymilla würde den Thron bekommen, ob sie Caemlyn nun eroberte oder auch nicht.
»Heute brauchen wir Mat Cauthons verdammtes Glück«, murmelte Birgitte.
»Das hast du schon einmal gesagt«, entgegnete Elayne. »Was meinst du damit?«
Birgitte sah sie schief an. Der Bund übertrug … Heiterkeit! »Hast du ihm je beim Würfelspielen zugesehen?«
»Ich verbringe kaum Zeit an Orten, wo gewürfelt wird, Birgitte.«
»Sagen wir einfach, er hat mehr Glück als jeder Mann, den ich je kennengelernt habe.«
Elayne schüttelte den Kopf und verdrängte Mat Cauthon aus ihren Gedanken. Charlz’ Männer versperrten ihr die Sicht, als sie nach vorn ritten. Noch nicht im Galopp, noch versuchten sie nicht mehr Lärm als unbedingt nötig zu machen. Mit etwas Glück würden ihre Männer Arymillas Leute umzingelt haben, bevor diese mitbekamen, was da eigentlich geschah. Und dann würden sie Arymilla von allen Seiten treffen. Von allen Männern, die Birgitte je kennengelernt hatte, war Mat der mit dem meisten Glück. In diesem Fall musste er wirklich außerordentlich viel Glück haben.
Plötzlich bewegten sich Charlz’ Gardisten schneller, die Lanzen mit den Stahlspitzen schwangen nach vorn. Jemand musste nach hinten geschaut haben. Schreie ertönten, Alarmschreie und ein donnernder Ruf, der aus vielen Richtungen aufgenommen wurde. »Für Elayne und Andor!«
Da waren auch andere Rufe.
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