Das Rad der Zeit 11. Das Original: Die Traumklinge (German Edition)
dazu hatte überwinden können, sich hinzulegen. Nachdem die Nachricht vom Ufer sie erreicht hatte, war sie davon überzeugt gewesen, nie wieder schlafen zu können, es sei denn aus völliger Erschöpfung. Sie hatte für Leane gebetet, aber ihre ganzen Hoffnungen ruhten auf Egwene, und ihre ganzen Hoffnungen schienen nun zerstört. Nun, sie hatte sich mit beständigem Sorgen und Umhermarschieren erschöpft. Jetzt gab es wieder Hoffnung, und sie wagte es nicht, ihre bleiernen Lider sich noch einmal schließen zu lassen aus Angst, dann womöglich wieder einzuschlafen und nicht vor dem Mittag wach zu werden, falls überhaupt. Der wilde Wind ließ nach, aber die Rufe der Menschen und der Lärm der Pferde nicht.
Müde warf sie ihre Decken beiseite und kam unsicher auf die Beine. Ihre Bettstatt war alles andere als bequem, ausgebreitet in der Ecke eines nicht sehr großen rechteckigen Zeltes auf dem mit Zeltplane abgedeckten Boden, aber sie war hergekommen, auch wenn sie dafür hatte reiten müssen. Natürlich wäre sie beinahe dauernd heruntergefallen und war aus Trauer bestimmt nicht ganz bei Verstand. Sie berührte den verdrehten Ter’angreal , der an einem Lederband um ihren Hals hing. Das erste Mal war sie aufgewacht – was ihr genauso schwergefallen war wie jetzt auch –, um den Ring aus ihrer Gürteltasche zu holen. Nun, die Trauer war jetzt vertrieben, und das reichte, um sie in Bewegung zu setzen. Ein unvermitteltes Gähnen ließ ihren Kiefer knacken wie eine verrostete Ruderdolle. Nun ja, es reichte fast aus. Eigentlich hätte Egwenes Botschaft, die Tatsache, dass sie am Leben war und überhaupt eine Botschaft schicken konnte, doch ausreichen müssen, um diese bis ins Mark gehende Müdigkeit zu vertreiben. Aber anscheinend war das doch nicht der Fall.
Mit der Macht erschuf sie lange genug eine Leuchtkugel, dass sie die Laterne an dem Mittelpfosten erkennen und mit einem Strang Feuer entzünden konnte. Die einzelne Flamme sorgte für eine sehr schwache, flackernde Helligkeit. Es gab noch andere Lampen und Laternen, aber Gareth hörte nicht auf zu klagen, wie wenig Öl sie doch in ihren Vorräten hatten. Das Kohlenbecken ließ sie in Ruhe; bei Kohle war Gareth nicht so knauserig wie bei Öl – an Holzkohle war auch leichter zu kommen –, aber sie nahm die kalte Luft kaum wahr. Sie bedachte sein unberührtes Bettzeug auf der anderen Seite des Zeltes mit einem Stirnrunzeln. Er wusste bestimmt über die Entdeckung des Bootes und wer es benutzt hatte Bescheid. Die Schwestern taten ihr Bestes, es vor ihm geheim zu halten, aber irgendwie hatten sie damit weniger Erfolg, als die meisten glaubten. Mehr als einmal hatte er sie mit seinem Wissen überrascht. War er draußen in der Nacht unterwegs, um seine Soldaten für das zu organisieren, was auch immer der Saal entschied? Oder war er bereits aufgebrochen und ließ eine verlorene Sache hinter sich? Aber sie war nicht länger verloren, doch das konnte er nicht wissen.
»Nein«, murmelte sie und verspürte ein seltsames Gefühl von … Verrat. Dass sie an dem Mann zweifelte, und selbst wenn nur in Gedanken. Er würde bei Sonnenaufgang immer noch da sein, und das bei jedem Sonnenaufgang, bis der Saal ihm zu gehen befahl. Vielleicht noch länger. Er war zu stur, stolz. Nein, so stimmte das nicht. Gareth Brynes Wort war seine Ehre. Einmal gegeben, würde er es nicht zurücknehmen, bis man ihn davon entband, was auch immer es ihn kostete. Und vielleicht, nur vielleicht, hatte er andere Gründe, um zu bleiben. Sie weigerte sich, darüber nachzudenken.
Sie verbannte Gareth aus ihren Gedanken – warum war sie bloß in sein Zelt gegangen? Es wäre so viel einfacher gewesen, sich in ihrem eigenen Zelt im Lager der Schwestern hinzulegen, so klein es auch war, oder auch der weinenden Chesa Gesellschaft zu leisten. Obwohl, bei näherer Betrachtung wäre sie dazu nicht imstande gewesen. Sie konnte Tränen nicht ertragen , und Egwenes Dienerin würde nicht aufhören zu weinen. Sie verbannte Gareth energisch aus ihren Gedanken, fuhr sich schnell mit der Bürste durchs Haar, wechselte ihr Unterhemd gegen ein frisches und zog sich in dem matten Lichtschein so schnell an, wie es ging. Ihr einfaches blaues Reitgewand war zerknittert, außerdem waren die Säume schlammbespritzt – sie hatte das Boot mit eigenen Augen sehen müssen –, aber sie nahm sich nicht die Zeit, es mit der Macht zu säubern und zu bügeln. Sie musste sich beeilen.
Das Zelt war alles andere als die
Weitere Kostenlose Bücher