Das Rad der Zeit 12. Das Original: Sturm der Finsternis (German Edition)
bereitete ihr Sorgen. Wie würde er reagieren?
Sie seufzte, blätterte in dem Buch herum. Nie hätte sie gedacht, sich jemals für einen Mann zum Narren zu machen, ausgerechnet sie. Und doch war sie hier, folgte ihm, wo auch immer er hinging, stellte seine Bedürfnisse über die ihren. Das bedeutete nicht, dass sie seine Gespielin war, ganz egal, was manche der Leute im Lager auch sagen mochten. Sie folgte Rand, weil sie ihn liebte, und sie fühlte – und das wortwörtlich –, dass er diese Liebe erwiderte. Trotz der Härte, die ihn Stück für Stück verschlang, trotz des Zorns und der Aussichtslosigkeit seines Lebens liebte er sie. Also tat sie, was in ihrer Macht stand, um ihm zu helfen.
Wenn sie dabei helfen konnte, dieses eine Rätsel zu lösen, das Rätsel, wie man den Kerker des Dunklen Königs versiegelte, konnte sie nicht nur etwas für Rand gewinnen, sondern für die ganze Welt. Was spielte es da schon für eine Rolle, wenn die Soldaten im Lager ihren Wert nicht erkannten? Vermutlich war es sogar besser, wenn sie jeder für austauschbar hielt. Jeder Attentäter, der Rand töten wollte, sollte denken, dass er sie ignorieren konnte. Der Möchtegern-Mörder würde schnell die in ihren Ärmeln verborgenen Messer entdecken. Sie war nicht so gut damit wie Thom Merrilin, aber sie verstand genug davon, um zu töten.
Rand drehte sich im Schlaf um, kam aber wieder zur Ruhe. Sie liebte ihn. Das war nicht ihre Entscheidung gewesen, aber ihr Herz – oder das Muster oder der Schöpfer oder wer auch immer für solche Dinge zuständig war – hatte die Entscheidung für sie getroffen. Und sie hätte ihre Gefühle auch nicht geändert, selbst wenn sie es gekonnt hätte. Auch wenn sie möglicherweise Gefahr bedeuteten, wenn sie bedeuteten, die Blicke der Männer im Lager zu ertragen, wenn sie bedeuteten … ihn mit anderen teilen zu müssen.
Rand rührte sich wieder. Dieses Mal stöhnte er und öffnete die Augen, setzte sich auf. Er hielt sich den Kopf, schaffte es irgendwie, jetzt noch müder auszusehen als zuvor. Er trug nur sein Lendentuch, seine Brust war nackt. Einen langen Augenblick blieb er so sitzen, dann stand er auf und ging zu dem verschlossenen Fenster.
Min schlug das Buch zu. »Und was glaubst du, was du da tust, Schafhirte? Du hast nicht mal ein paar Stunden geschlafen!«
Er öffnete Fenster und Schlagladen, enthüllte die dahinterliegende Nacht. Ein Windzug ließ ihre Lampe flackern.
»Rand?«
Sie konnte ihn kaum hören, als er antwortete. »Er ist in meinem Kopf. Während des Traums war er verschwunden. Aber jetzt ist er wieder da.«
Sie wehrte sich dagegen, sich tiefer in den Sessel verkriechen zu wollen. Beim Licht, wie sie es hasste, von Rands Wahnsinn zu hören. Sie hatte so sehr gehofft, dass die Heilung von Saidin ihn auch vom Irrsinn des Makels befreien würde. »Er?«, fragte sie und zwang sich zu einem ruhigen Tonfall. »Die Stimme von … Lews Therin?«
Er drehte sich um, der bewölkte Nachthimmel außerhalb des Fensters rahmte sein Gesicht ein, das ungleichmäßige Licht der Lampe tauchte seine Züge größtenteils in Schatten.
»Rand«, sagte sie, legte das Buch zur Seite und ging zu ihm. »Du musst mit jemandem sprechen. Du kannst diese Last nicht allein tragen.«
»Ich muss stark sein.«
Sie zog an seinem Arm, drehte ihn sich ihr zu. »Mich fernzuhalten heißt, dass du stark bist?«
»Ich halte dich nicht …«
»Doch, das tust du. Dort drinnen gehen Dinge vor, hinter deinen Aiel-Augen. Rand, glaubst du, ich höre auf, dich zu lieben – nur wegen dem, was du hörst?«
»Du wirst Angst bekommen.«
»Oh«, meinte sie und verschränkte die Arme. »Also bin ich eine zerbrechliche Blüte?«
Er öffnete den Mund, suchte nach Worten, so wie einst. So wie damals, als er nichts weiter als ein Schafhirte auf einem Abenteuer gewesen war. »Min, ich weiß, dass du stark bist. Das weißt du.«
»Dann vertraue mir auch, dass ich stark genug bin, um zu ertragen, was in dir ist«, sagte sie. »Wir können nicht so tun, als wäre nichts geschehen.« Sie zwang sich dazu weiterzumachen. »Der Makel hat sein Zeichen bei dir hinterlassen. Ich weiß das. Aber wenn du das nicht mit mir teilen kannst, mit wem denn dann?«
Er strich sich durch das Haar, dann wandte er sich ab und fing an, auf und ab zu gehen. »Verflucht, Min! Wenn meine Feinde meine Schwächen entdecken, werden sie sie ausnutzen. Ich fühle mich wie ein Blinder. Ich laufe in der Dunkelheit über einen unbekannten Weg.
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