Das Rad der Zeit 12. Das Original: Sturm der Finsternis (German Edition)
falls das möglich ist. Und wenn nicht, dann werde ich ihn zumindest so sicher wegsperren, dass die Welt ihn vergessen kann.«
Er sah zu ihr herunter. »Dafür … brauche ich die Stimme, Min. Lews Therin weiß viele Dinge. Oder … oder ich weiß viele Dinge. Was auch immer es ist, das Wissen ist da. In gewisser Weise wird den Dunklen König sein eigener Makel vernichten, denn er hat mir erst den Zugang zu Lews Therin ermöglicht.«
Min schaute zu ihren Büchern hinüber. Herids kleiner Zettel ragte noch immer aus den Tiefen von Überlegungen in den Ruinen hervor. »Rand«, sagte sie. »Du musst die Siegel am Gefängnis des Dunklen Königs vernichten.«
Er sah sie stirnrunzelnd an.
»Ich bin mir sicher«, fuhr sie fort. »Die ganze Zeit habe ich in Herids Büchern gelesen, und ich glaube, das hat er mit ›den Schutt beseitigen‹ gemeint. Um das Gefängnis des Dunklen Königs neu zu errichten, wirst du es erst öffnen müssen. Den Flicken auf der Bohrung entfernen.«
Eigentlich hatte sie mit völligem Unglauben gerechnet. Schockierenderweise nickte er bloß. »Ja«, sagte er. »Ja, das klingt richtig. Ich bezweifle, dass viele das hören wollen. Wenn diese Siegel zerbrochen werden, kann man unmöglich vorhersagen, was geschehen wird. Wenn ich darin versage, ihn in Schach zu halten …«
Die Prophezeiungen besagten nicht, dass Rand siegen würde. Nur dass er kämpfen würde. Min fröstelte wieder – das verdammte Fenster! –, erwiderte aber Rands Blick. »Du wirst gewinnen. Du wirst ihn besiegen.«
Er seufzte. »Glaube an einen Verrückten?«
»Glaube an dich, Schafhirte.« Plötzlich wirbelten Bilder um seinen Kopf. Meistens ignorierte Min sie, es sei denn, sie waren neu, aber jetzt konzentrierte sie sich darauf. Von Dunkelheit verschlungene Glühwürmchen. Drei Frauen vor einem Scheiterhaufen. Lichtblitze, Dunkelheit, Schatten, Anzeichen des Todes, Kronen, Verletzungen, Schmerzen und Hoffnung. Ein Sturm um Rand al’Thor, stärker als jeder weltliche Sturm.
»Wir wissen noch immer nicht, was wir tun müssen«, sagte er. »Die Siegel sind so brüchig geworden, dass ich sie mit meinen Händen zerbrechen könnte, aber was dann? Wie halte ich ihn auf? Steht darüber etwas in deinen Büchern?«
»Das ist schwer zu sagen«, gab sie zu. »Die Hinweise – wenn es denn welche sind – sind nur vage. Ich werde weitersuchen, versprochen. Ich werde für dich die Antworten finden.«
Er nickte, und sie war überrascht, sein Vertrauen durch den Bund zu spüren. In letzter Zeit war das ein schrecklich seltenes Gefühl bei ihm, aber er erschien nachgiebiger als während der vergangenen Tage. Noch immer ein Stein, aber vielleicht mit ein paar Sprüngen, dazu bereit, sie einzulassen. Es war ein Anfang.
Sie legte die Arme fester um ihn und schloss wieder die Augen. Ein Anfang, aber ihnen blieb nur noch so wenig Zeit. Sie würde reichen müssen.
Aviendha hielt sorgfältig ihre brennende Kerze und entzündete die auf einem Pfahl angebrachte Laterne. Ihr flackerndes Licht erhellte den Rasen in ihrer Umgebung. Schlummernde Soldaten schnarchten in Zeltreihen. Der Abend war kühl, die Luft schneidend, in der Ferne rauschten Äste. Eine einsame Eule klagte. Und Aviendha war erschöpft.
Sie hatte das Gelände fünfzigmal überquert, die Laterne entzündet und sie dann wieder ausgeblasen, danach war sie im Laufschritt zurück, um die Kerze beim Herrenhaus wieder zu entzünden, bevor sie vorsichtig – die Flamme schützend – zurückgegangen war, um die Laterne erneut zu entzünden.
Noch einen Monat solcher Strafen, und sie würde vermutlich genauso verrückt wie ein Feuchtländer. Eines Morgens würden die Weisen Frauen aufwachen und sie dabei erwischen, wie sie schwimmen ging oder einen nur zur Hälfte gefüllten Wasserschlauch trug oder – welch eine Vorstellung – zum Vergnügen ausritt! Sie seufzte, zu erschöpft, um sich weiter Gedanken zu machen, und wandte sich dem Teil des Lagers zu, den die Aiel in Beschlag genommen hatten, um endlich schlafen gehen zu können.
Jemand stand hinter ihr.
Zusammenzuckend griff sie nach dem Dolch, entspannte sich aber, als sie Amys erkannte. Von allen Weisen Frauen hätte nur sie allein – als ehemalige Tochter – sich an Aviendha anschleichen können.
Die Weise Frau stand mit verschränkten Händen da; das braune Schultertuch und der Rock bewegten sich leicht im Wind. Eine besonders kühle Brise ließ Aviendhas Haut kribbeln. Im Abendlicht erschien Amys’
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