Das Rad der Zeit 12. Das Original: Sturm der Finsternis (German Edition)
sich oft gefragt, wer er gewesen war. Jetzt, an diesem Ort, wusste er es endlich.
»Du bist tot«, flüsterte er. »Ich habe dich getötet.«
Der Mann wandte den Blick nicht vom Feuer ab, als er lachte. Ein raues, tiefkehliges Lachen, das nur wenig Humor enthielt. Einst hatte Rand diesen Mann nur als Ba’alzamon gekannt – ein Name für den Dunklen König – und wie ein Narr geglaubt, dass er, indem er ihn tötete, den Schatten für alle Zeiten besiegte.
»Ich habe zugesehen, wie du stirbst«, sagte er. »Mit Callandor habe ich deine Brust durchbohrt. Isham …«
»Das ist nicht mein Name«, unterbrach ihn der Mann und starrte weiter in die Flammen. »Man kennt mich jetzt als Moridin.«
»Der Name ist irrelevant«, sagte Rand wütend. »Du bist tot, und das ist bloß ein Traum.«
»Nur ein Traum«, sagte Moridin kichernd. »Ja.« Der Mann trug Schwarz, Mantel und Hosen; die düstere Kleidung wurde nur von roten Stickereien auf den Ärmelaufschlägen aufgehellt.
Moridin sah Rand endlich an. Flammen des Feuers warfen hellrote und orangefarbene Lichter auf sein ebenmäßiges Gesicht und die reglosen Augen. »Warum musst du immer auf die gleiche Weise jammern? Nur ein Traum! Ist dir nicht klar, dass viele Träume wahrhaftiger als die wachende Welt sind?«
»Du bist tot«, wiederholte Rand stur.
»Du auch. Ich habe dich sterben sehen, weißt du? Hast wie ein Wilder um dich geschlagen, einen ganzen Berg als Grabhügel erschaffen. Welche Arroganz.«
Nach der Erkenntnis, jeden geliebten Menschen getötet zu haben, hatte Lews Therin die Eine Macht in sich strömen lassen und sich selbst vernichtet. Dabei hatte er den Drachenberg erschaffen. Die Erwähnung dieses Vorfalls rief in Rands Verstand immer ohrenbetäubende Schreie voller Trauer und Wut hervor.
Aber dieses Mal herrschte nur Stille.
Moridin wandte sich wieder der Beobachtung der kalten Flammen zu. An der Seite, am Kaminsims, sah Rand eine Bewegung. Flackernde Schattenfetzen, kaum sichtbar in den Spalten der Steine. Hinter den Spalten loderte rotglühende Hitze wie schmelzender Stein, und diese Schatten zuckten wild. Da war ein kaum hörbares Kratzen. Ratten, erkannte Rand. Da waren Ratten hinter den Steinen, die die schreckliche, auf der anderen Seite gefangene Hitze verschlang. Ihre Krallen drängten sich kratzend in die Spalten, als sie versuchten, ihrem Feuertod zu entkommen.
Einige dieser winzigen Pfoten erschienen beinahe wie menschliche Hände.
Nur ein Traum, sagte sich Rand energisch. Nur ein Traum. Aber er wusste, dass Moridin die Wahrheit sagte. Sein Feind lebte noch. Beim Licht! Wie viele von den anderen waren ebenfalls zurückgekehrt? Zorn ließ ihn die Armlehnen umklammern. Vielleicht hätte er besser Furcht verspüren sollen, aber er hatte schon vor langer Zeit aufgehört, vor dieser Kreatur und ihrem Herrn fortzulaufen. In ihm war kein Platz für Furcht mehr. Tatsächlich sollte Moridin hier derjenige sein, der sich fürchtete, denn bei ihrer letzten Begegnung hatte er ihn getötet.
»Wie?«, wollte er wissen.
»Vor langer Zeit habe ich dir versprochen, dass dir der Große Herr deine verlorene Liebe zurückgeben könnte. Glaubst du, es kostet ihn viel Mühe, jemanden zurückzuholen, der ihm dient?«
Ein anderer Name für den Dunklen König war Herr der Gräber . Ja, es stimmte, selbst wenn sich Rand wünschte, er könnte es abstreiten. Warum sollte es ihn überraschen, dass seine Feinde zurückkehrten, wenn der Dunkle König die Toten wieder ins Leben zurückholen konnte?
»Wir werden alle wiedergeboren«, fuhr Moridin fort, »immer wieder zurück in das Muster gewebt. Der Tod ist für meinen Herrn kein Hindernis, bis auf jene, die mit Baalsfeuer in Berührung gekommen sind. Sie sind jenseits seines Zugriffs. Es ist ein Wunder, dass wir uns überhaupt an sie erinnern können.«
Also waren einige der anderen wirklich tot. Baalsfeuer war der Schlüssel. Aber wie war Moridin in seine Träume gekommen? Jede Nacht errichtete er Schutzgewebe. Er warf Moridin einen Blick zu, bemerkte etwas Seltsames an den Augen des Mannes. Kleine schwarze Flecken schwammen in dem Weiß herum, trieben hin und her wie Ascheflocken auf einem lauen Wind.
»Der Große Herr kann dir geistige Gesundheit garantieren, weißt du«, sagte Moridin.
»Dein letztes Geschenk an geistiger Gesundheit hat mir keinen Trost gebracht«, erwiderte Rand und überraschte sich selbst mit den Worten. Das war Lews Therins Erinnerung gewesen, nicht seine. Aber Lews Therin war
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