Das Rad der Zeit 12. Das Original: Sturm der Finsternis (German Edition)
Toh; sie hatte sich schnell genug korrigiert. Das war gut. Sie würde nicht noch mehr zusätzliche Schande zu der anhäufen, die sie bereits auf sich geladen hatte.
»Also gut«, sagte Amys und betrachtete den Pfad vor ihr. »Lass uns über die heutige Strafe sprechen.«
Aviendha entspannte sich etwas. Also blieb ihr noch genug Zeit, um herauszufinden, was sie falsch gemacht hatte. Feuchtländer schienen die Strafmethoden der Aiel oft zu verwirren, aber Feuchtländer verstanden ja auch wenig von Ehre. Ehre erwarb man nicht, weil man bestraft wurde, sondern die Strafe akzeptierte, und sie zu erdulden stellte die Ehre wieder her. Das war die Seele des Toh – sich freiwillig zu beugen, um das zurückzugewinnen, was verloren gegangen war. Sie konnte nicht verstehen, warum die Feuchtländer das nicht begriffen; in der Tat war es seltsam, dass sie Ji’e’toh nicht instinktiv folgten. Was war ein Leben ohne Ehre?
Amys würde ihr zu Recht nicht sagen, was sie falsch gemacht hatte. Aber sie kam einfach nicht auf die richtige Antwort, und sie würde weniger Schande auf sich laden, wenn sie sie bei einer Unterhaltung herausfand. »Ja«, sagte sie vorsichtig. »Ich sollte bestraft werden. Mein Aufenthalt in Caemlyn drohte mich schwach zu machen.«
Amys schnaubte. »Du bist genauso wenig schwach wie zu der Zeit, als du die Speere getragen hast, Mädchen. Sogar etwas stärker, wie ich finde. Deine Zeit mit deiner Erstschwester war wichtig für dich.«
Also war es das nicht. Als Dorindha und Nadere sie geholt hatten, hatten sie gesagt, sie müsste ihre Ausbildung als Lehrling fortführen. Aber seit die Aiel nach Arad Doman aufgebrochen waren, hatte sie keinen Unterricht bekommen. Sie hatte Wasser tragen, Schultertücher flicken und Tee servieren müssen. Alle möglichen Strafen hatte man ihr auferlegt, ohne ihr dabei zu erklären, was sie falsch gemacht hatte. Und wenn sie etwas Offensichtliches tat – so wie auf einen Spähtrupp gehen, was sie nicht hätte tun sollen –, war die Strenge der Strafe stets größer, als das Vergehen eigentlich gerechtfertigt hätte.
Es war beinahe so, als wollten die Weisen Frauen, dass sie lernte, was eine Strafe zu bedeuten hatte, aber das konnte nicht sein. Sie war keine Feuchtländerin, der man beibringen musste, wie Ehre funktionierte. Was sollten ständige und unerklärte Strafen anderes erreichen, als sie auf einen ernsten Fehler hinzuweisen, den sie begangen hatte?
Amys griff sich an die Seite und band dort etwas los. Der Wollbeutel, den sie hochhielt, war etwa von Faustgröße. »Wir haben entschieden, dass wir in deinem Unterricht zu nachlässig waren. Zeit ist kostbar, und Feinheiten sind nicht möglich.«
Aviendha verbarg ihre Überraschung. Ihre vorherigen Strafen waren subtil gewesen?
»Und darum«, fuhr Amys fort und übergab ihr den kleinen Beutel, »wirst du das hier nehmen. Darin sind Samen. Manche sind schwarz, andere braun, andere weiß. Heute Abend, bevor wir schlafen, wirst du die Farben voneinander trennen und dann zählen, wie viele es von jeder Farbe gibt. Wenn du dich irrst, werden wir sie wieder vermischen, und du fängst von vorn an.«
Aviendha ertappte sich dabei, dass sie starrte, und beinahe wäre sie gestolpert. Wasser zu tragen war eine nötige Arbeit. Kleider zu flicken war eine nötige Arbeit. Mahlzeiten zu kochen war eine wichtige Arbeit, vor allem wenn die kleine Vorhut keine Gai’shain mitgebracht hatte.
Aber das … das war sinnlose Arbeit! Nicht nur hatte sie keine Bedeutung, sie war frivol. Es war die Art von Strafe, die nur für die stursten oder schändlichsten Leute reserviert war. Es machte beinahe den Eindruck, als würden die Weisen Frauen sie Da’tsang schimpfen!
»Bei den Augen des Sichtblenders«, flüsterte sie, als sie sich zwang, das Tempo aufrechtzuerhalten. »Was habe ich denn getan? «
Amys warf ihr einen Blick zu, und sie wich ihm aus. Sie wussten beide, dass sie keine Antwort auf diese Frage wollte. Stumm nahm sie den Beutel entgegen. Es war die demütigendste Strafe, die sie je erhalten hatte.
Amys lief zu den anderen Weisen Frauen. Aviendha schüttelte ihre Lähmung ab, ihre Entschlossenheit kehrte zurück. Ihr Fehler musste gravierender gewesen sein als gedacht. Amys’ Strafe deutete es zumindest an.
Sie öffnete den Beutel und schaute hinein. Drei kleine leere Algode -Beutel lagen darin, die beim Sortieren helfen sollten, fast vollständig von Tausenden von Samen begraben. Diese Strafe sollte gesehen werden,
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