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Das Rad der Zeit 13. Das Original: Mitternachtstürme (German Edition)

Das Rad der Zeit 13. Das Original: Mitternachtstürme (German Edition)

Titel: Das Rad der Zeit 13. Das Original: Mitternachtstürme (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan , Brandon Sanderson
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gefühlsmäßig und geistig auf die Probe. Aber diese Prüfung gab es jetzt nicht mehr.
    Sie gelangte zusehends zu der Überzeugung, dass es Unsinn war, Traditionen um der Tradition willen zu bewahren. Gute Traditionen – starke Aiel-Traditionen – lehrten den Weg des Ji’e’toh , die Methoden des Überlebens.
    Seufzend stand Aviendha auf. Der Säulenwald sah aus wie die seltsamen Stangen aus gefrorenem Wasser, die sie während des Winters in den Feuchtlanden gesehen hatte. Eiszapfen, so hatte Elayne sie genannt. Die hier wuchsen vom Boden in die Höhe und zeigten zum Himmel, stellten Dinge der Schönheit und der Macht dar. Es war traurig, mit ansehen zu müssen, wie sie ihre Bedeutung verloren.
    Aviendha kam ein Gedanke. Vor ihrem Aufbruch in Caemlyn hatten sie und Elayne eine erstaunliche Entdeckung gemacht. Bei ihr hatte sich ein Talent in der Einen Macht manifestiert: die Fähigkeit, Ter’angreale identifizieren zu können. Konnte sie genau bestimmen, was die Glassäulen eigentlich taten? Sie waren doch sicher nicht speziell für die Aiel erschaffen worden, oder doch? Die meisten Gegenstände mit großer Macht waren uralt. Man würde die Säulen im Zeitalter der Legenden erschaffen und dann dazu eingerichtet haben, den Aiel ihre wahre Vergangenheit zu zeigen.
    Sie wussten so wenig über Ter’angreale . Hatten die alten Aes Sedai sie wirklich verstanden, so wie sie genau wusste, wie ein Bogen oder ein Speer funktionierte? Oder hatten sie selbst über die Gegenstände gerätselt, die sie da erschufen? Die Eine Macht war so wunderbar, so geheimnisvoll, dass sich Aviendha manchmal selbst bei der Erschaffung vertrauter Gewebe wie ein Kind fühlte.
    Sie stellte sich vor die nächste Glassäule, achtete aber darauf, dabei den Kreis nicht zu betreten. Falls sie eine der Säulen berührte, vielleicht würde ihr Talent sie ja etwas aus ihr herauslesen lassen. Mit Ter’angrealen zu experimentieren war gefährlich, aber sie hatte ihre Herausforderung bereits unbeschadet hinter sich gebracht.
    Zögernd streckte sie die Hand aus und legte die Finger auf die glatte, glasige Oberfläche. Die Säule war etwa einen Fuß dick. Aviendha schloss die Augen und versuchte ihre Funktion zu lesen.
    Sie spürte die mächtige Aura der Säule. Sie war weitaus kraftvoller als jedes der Ter’angreale , die sie mit Elayne untersucht hatte. Tatsächlich erschienen die Säulen irgendwie … lebendig. Es war beinahe so, als könnte sie ein darin enthaltenes Bewusstsein spüren.
    Sie fröstelte. Berührte sie die Säule oder die Säule sie?
    Sie versuchte das Ter’angreal zu lesen wie sonst auch, aber das hier war gewaltig. Unverständlich wie die Eine Macht selbst. Von dem schieren Gewicht des Gefühlten überwältigt, holte sie zischend Luft. Es war, als wäre sie in eine tiefe finstere Grube gefallen.
    Sie riss die Augen auf und zog die zitternde Hand zurück. Dem war sie nicht gewachsen. Sie war nur ein Insekt, das die Größe und Masse eines Berges begreifen wollte. Sie nahm noch einen beruhigenden Atemzug, dann schüttelte sie den Kopf. Hier gab es nichts mehr für sie zu tun.
    Sie wandte sich von der Glassäule ab und machte einen Schritt.
    Sie war Malidra, achtzehn Jahre alt aber dürr genug, um wesentlich jünger zu erscheinen. Sie kroch in der Dunkelheit. Vorsichtig. Lautlos. Es war gefährlich, sich so nahe an die Lichtmacher heranzuwagen. Der Hunger trieb sie an. Das tat er immer.
    Die Nacht war kalt, die Landschaft unfruchtbar. Malidra hatte Geschichten über einen Ort jenseits der fernen Berge gehört, wo das Land grün war und überall Nahrung wuchs. Sie glaubte diese Lügen nicht. Die Berge waren bloß Linien am Himmel, zerklüftete Zähne. Wer konnte schon etwas so Hohes erklimmen?
    Vielleicht die Lichtmacher. Für gewöhnlich kamen sie aus dieser Richtung. Ihr Lager lag voraus und glühte in der Dunkelheit. Das Glühen war zu gleichmäßig, um ein Feuer sein zu können. Es kam aus den Kugeln, die sie mit sich trugen. Geduckt schob sie sich näher, mit dreckigen Händen und nackten Füßen. Ein paar Männer und Frauen des Volkes waren bei ihr. Schmutzige Gesichter, strähnige Haare. Struppige Bärte bei den Männern.
    Nicht zueinander passende Kleidung. Zerlumpte Hosen, Kleidungsstücke, die möglicherweise einst Hemden gewesen waren. Alles, um während des Tages die Sonne abzuhalten, denn die Sonne konnte töten. Und das tat sie auch. Malidra war die letzte von vier Schwestern, zwei waren durch Sonne und Hunger

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