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Das Rad der Zeit 13. Das Original: Mitternachtstürme (German Edition)

Das Rad der Zeit 13. Das Original: Mitternachtstürme (German Edition)

Titel: Das Rad der Zeit 13. Das Original: Mitternachtstürme (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan , Brandon Sanderson
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klammerte sich an ihren Röcken fest. Meise hatte nun schon seit Monaten kein Wort mehr gesprochen. Nicht seitdem ihr älterer Bruder am Hunger gestorben war.
    »Bitte«, sagte ihr Ehemann – Metalan – zu den Außenweltlern. Es waren drei von ihnen, zwei Männer und eine Frau, die alle Hosen trugen. Robuste Leute, gar nicht wie die anderen Fremden mit ihren feinen Zügen und der viel zu empfindlichen Seide, die sie am Leib trugen. Die Erleuchteten, richtig, so nannten sich diese anderen manchmal. Die drei hier waren gewöhnlicher.
    »Bitte«, wiederholte Metalan. »Meine Familie …«
    Er war ein guter Mann. Oder war es zumindest gewesen, als er noch stark und gesund gewesen war. Jetzt erschien er nur noch wie die Hülle eines Mannes, hatte eingefallene Wangen. Seine einst so strahlenden blauen Augen starrten nun häufig ins Leere. Von Erinnerungen heimgesucht. Dieser Blick kam daher, weil er drei seiner Kinder im Verlauf von achtzehn Monaten hatte sterben sehen. Obwohl Metalan einen Kopf größer als die Außenweltler war, schien er vor ihnen zu kriechen.
    Der Anführer – ein Mann mit einem buschigen Bart und großen ehrlichen Augen – schüttelte den Kopf. Er gab Metalan den Sack mit den Steinen zurück. »Die Rabenkaiserin, möge sie ewig atmen, verbietet es. Kein Handel mit Aiel. Wir könnten schon unseren Freibrief verlieren, nur weil wir mit euch sprechen.«
    »Wir haben nichts zu essen«, sagte Metalan. »Meine Kinder verhungern. Diese Steine enthalten Erz. Ich weiß , dass ihr genau danach sucht. Ich habe Wochen damit verbracht, sie einzusammeln. Gebt uns etwas zu essen. Irgendetwas. Bitte.«
    »Es tut mir leid, mein Freund«, sagte der Anführer der Außenweltler. »Das ist den Ärger mit den Raben nicht wert. Geht weiter. Wir wollen keinen Zwischenfall.« Hinter ihnen kamen mehrere Außenweltler dazu; einer trug eine Axt, zwei andere hatten Zischstäbe.
    Ihr Mann sackte in sich zusammen. Tagelanges Wandern, wochenlanges Suchen nach den Steinen. Für nichts. Er drehte sich um und kam zu ihr zurück. In der Ferne ging die Sonne unter. Sobald er sie erreicht hatte, schlossen sie und Meise sich ihm an und entfernten sich vom Lager der Außenweltler.
    Meise fing an zu schnaufen, aber keiner von ihnen hatte den Willen oder die Kraft, sie zu tragen. Etwa eine Stunde von dem Lager entfernt fand ihr Mann eine Senke in einem Felsmassiv. Dort setzten sie sich, machten aber kein Feuer. Es gab nichts zu verbrennen.
    Norlesh wollte weinen. Aber … es erschien so schrecklich schwer, überhaupt etwas zu empfinden. »Ich bin so hungrig«, flüsterte sie.
    »Morgen früh fange ich was«, sagte ihr Ehemann und starrte zu den Sternen hinauf.
    »Wir haben schon seit Tagen nichts mehr gefangen«, sagte sie.
    Er antwortete nicht.
    »Was sollen wir nur tun?«, flüsterte sie. »Seit den Tagen meiner Großmutter Tava konnten wir kein Heim mehr für unsere Leute bewahren. Versammeln wir uns, greifen sie uns an. Wandern wir durch die Wüste, sterben wir. Sie treiben keinen Handel mit uns. Sie lassen uns nicht die Berge überqueren. Was sollen wir tun ?«
    Seine Erwiderung bestand darin, sich hinzulegen und ihr den Rücken zuzukehren.
    Da kamen ihre Tränen, stumm und schwach. Sie rollten ihre Wangen hinunter, während sie das Hemd öffnete, um Garlvan zu stillen, obwohl sie keine Milch für ihn hatte.
    Er bewegte sich nicht. Er saugte sich nicht an ihr fest. Sie hob seine kleine Gestalt in die Höhe und erkannte, dass er nicht mehr atmete. Irgendwann auf dem Weg zur Senke war er gestorben, ohne dass sie es gemerkt hatte.
    Das Erschreckendste daran war, wie schwer es ihr fiel, Trauer für seinen Tod zu empfinden.
    Aviendhas Fuß berührte die Steinplatte. Um sie herum schimmerte der Wald aus Glassäulen in prismatischen Farben. Es war, als stünde man mitten in einer Vorstellung der Feuerwerker. Die Sonne stand hoch am Himmel, die Wolkendecke war verschwunden.
    Sie wollte den Platz für immer verlassen. Auf das Wissen, dass die Aiel einst dem Weg des Blattes gefolgt waren, war sie vorbereitet gewesen. Dieses Wissen war nicht besonders schlimm. Schließlich würden sie bald ihr Toh erfüllen.
    Aber das hier ? Diese versprengten und gebrochenen Elendsgestalten? Leute, die nicht für sich eintraten, die bettelten, die nicht wussten, wie man im Land überlebte? Das Wissen, dass das ihre Vorfahren waren, war eine beinahe unerträgliche Schande. Es war gut, dass Rand al’Thor den Aiel diese Vergangenheit nicht enthüllt

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