Das Rad der Zeit 14. Das Original: Das Vermächtnis des Lichts (German Edition)
Elayne.
»Du siehst ihn aus einem anderen Blickwinkel als ich. Sag mir, was du davon hältst. Vielleicht schicke ich ihm den Brief gar nicht. Ich habe mich noch nicht entschieden.«
»Der Ton ist … energisch«, bemerkte Elayne.
»Anders scheint er ja nicht zu reagieren.«
Nachdem Elayne zu Ende gelesen hatte, senkte sie das Blatt. »Vielleicht sollten wir ihn einfach tun lassen, was er will.«
»Die Siegel brechen?«, fragte Egwene. »Den Dunklen König befreien?«
»Warum nicht?«
»Beim Licht, Elayne!«
»Es muss geschehen, oder nicht? Ich meine, der Dunkle König wird entkommen. Er ist auch schon so gut wie frei.«
Egwene rieb sich die Schläfen. »Es ist ein Unterschied, ob man die Welt berührt oder frei ist. Im Krieg der Macht wurde der Dunkle König niemals ungehindert auf die Welt losgelassen. Der Stollen ließ ihn sie berühren, aber der wurde wieder versiegelt, bevor er entkommen konnte. Hätte der Dunkle König die Welt betreten, wäre das Rad selbst zerbrochen worden. Hier, ich habe dir das hier mitgebracht, um es dir zu zeigen.«
Egwene holte einen Papierstapel aus ihrer Tasche. Die Bibliothekarinnen des Dreizehnten Depositoriums hatten die Blätter eilig zusammengetragen. »Ich sage nicht, dass wir die Siegel nicht brechen sollten«, sagte sie. »Ich sage nur, dass wir uns es nicht leisten können, einen von Rands hirnverbrannten Plänen mit ihnen durchzuführen.«
Elayne lächelte liebevoll. Beim Licht, wie verliebt sie war. Ich kann mich doch auf sie verlassen, oder? Das war im Moment schwer bei Elayne zu sagen. Ihr Plan mit den Kusinen …
»Leider haben wir in deinem Bibliotheks- Ter’angreal nichts Relevantes finden können.« Die Statue des lächelnden bärtigen Mannes hatte in der Weißen Burg beinahe einen Aufruhr ausgelöst; jede Schwester hatte die Tausende von Büchern lesen wollen, die darin enthalten waren. »Sämtliche Bücher scheinen aus der Zeit vor der Bohrung des Stollens zu stammen. Sie werden weitersuchen, aber diese Notizen hier enthalten alles, was wir über die Siegel, den Kerker und den Dunklen König finden konnten«, fuhr Egwene fort. »Sollten wir die Siegel zum falschen Zeitpunkt brechen, könnte das womöglich das Ende von allem bedeuten. Hier, lies das.« Sie drückte Elayne eine Seite in die Hand.
»Der Karaethon-Zyklus ?«, fragte Elayne neugierig. »›Und das Licht soll scheitern, und die Morgendämmerung wird nicht kommen, und noch immer wütet der Gefangene.‹ Der Gefangene ist der Dunkle König?«
»Ich glaube schon. Die Prophezeiungen drücken sich niemals klar aus. Rand will die Letzte Schlacht beginnen und die Siegel sofort brechen, aber das ist eine schreckliche Idee. Vor uns liegt ein langer Krieg. Den Dunklen König jetzt zu befreien wird die Streitmächte des Schattens stärken und uns schwächen.
Wenn es getan werden muss – und ich bin noch immer nicht davon überzeugt, dass das der Fall ist –, dann sollten wir bis zum letztmöglichen Augenblick warten. Zumindest müssen wir das diskutieren. Rand hat in vielem recht behalten, aber er hat sich auch geirrt . Das ist keine Entscheidung, die er allein treffen darf.«
Elayne blätterte die Papiere durch und verharrte plötzlich. »›Sein Blut soll uns das Licht geben …‹« Sie rieb mit dem Daumen über die Seite, als wäre sie in Gedanken versunken. »›Dient dem Licht.‹ Wer hat diese Notiz hinzugefügt?«
»Das ist Doniella Alievins Kopie der Übersetzung des Karaethon-Zyklus von Kyera Termendal«, sagte Egwene. »Doniella fügte ihre eigenen Anmerkungen hinzu, und sie waren Gegenstand von beinahe genauso vielen Debatten unter den Gelehrten wie die Prophezeiungen selbst. Sie war eine Wahrträumerin, musst du wissen. Die einzige Amyrlin, von der wir genau wissen, dass sie es war. Jedenfalls abgesehen von mir.«
Elayne nickte.
»Die Schwestern, die das für mich zusammenstellten, kamen zu demselben Schluss wie ich«, fuhr Egwene fort. »Es mag der Zeitpunkt kommen, an dem man die Siegel brechen muss, aber dieser Augenblick ist nicht zu Beginn der Letzten Schlacht, ganz egal, was Rand denkt. Wir müssen auf den richtigen Moment warten, und als die Wächterin über die Siegel ist es meine Pflicht, diesen Moment zu bestimmen. Ich werde die Welt nicht wegen Rands tollkühner Pläne riskieren.«
»Er hat schon etwas von einem Gaukler«, meinte Elayne liebevoll. »Du hast da ein sehr gutes Argument vorgebracht, Egwene. Trag es ihm vor. Er wird dir zuhören. Er hat einen wachen
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