Das Rad der Zeit 14. Das Original: Das Vermächtnis des Lichts (German Edition)
entkommen. Licht, ich weiß nicht, warum mich das überraschen sollte. Wenn sie in der Weißen Burg sind, dann sind sie auch in Andor. Aber das waren Männer, die Gaebril nicht unterstützten und loyal erschienen. Sie haben die ganze Zeit abgewartet, nur um uns jetzt zu verraten.«
Aviendha verzog das Gesicht, nahm dann aber einen Stuhl, um sich zu Elayne an den Tisch zu setzen, statt es sich auf dem Boden bequem zu machen. Ihre Erstschwester saß lieber so. Ihr Leib war mit den Kindern angeschwollen, die sie austrug.
»Ich schickte Birgitte mit den Soldaten zur Stadt, um zu sehen, was man machen kann«, sagte Elayne. »Aber wir haben getan, was in dieser Nacht möglich war, die Stadt wird beobachtet und die Flüchtlinge sind versorgt. Licht, ich wünschte, ich könnte mehr tun. Das Schlimmste auf dem Thron sind nicht die Dinge, die man tun muss, sondern die Dinge, die einem verwehrt bleiben.«
»Wir tragen den Kampf bald zu ihnen.«
»Das werden wir«, sagte Elayne mit wildem Blick. »Ich bringe ihnen Feuer und Zorn, sie werden für das Leid bezahlen, das sie meinem Volk angetan haben.«
»Ich habe gehört, dass du diesen Männern sagtest, sie sollten die Stadt nicht angreifen.«
»Nein. Ich werde dem Feind nicht die Befriedigung geben, meine eigenen Stadtmauern gegen mich einzusetzen. Ich habe Birgitte einen Befehl gegeben – irgendwann werden die Trollocs Caemlyn verlassen, das steht fest. Birgitte wird eine Möglichkeit finden, das zu beschleunigen, damit wir sie außerhalb der Stadt bekämpfen können.«
»Lass nicht den Feind dein Schlachtfeld bestimmen«, sagte Aviendha mit einem Nicken. »Eine gute Strategie. Und … Rands Zusammenkunft?«
»Ich nehme daran teil«, sagte Elayne. »Ich muss es tun, also wird es auch geschehen. Er täte besser daran, auf sein Zaudern und seine Großspurigkeit zu verzichten. Meine Untertanen sterben, meine Stadt brennt, die Welt steht zwei Schritte vor dem Abgrund. Ich werde bis zum Nachmittag bleiben; danach kehre ich nach Andor zurück.« Sie zögerte. »Begleitest du mich?«
»Elayne …«, sagte Aviendha. »Ich kann mein Volk nicht verlassen. Ich bin jetzt eine Weise Frau.«
»Du warst in Rhuidean?«
»Ja«, antwortete Aviendha. Obwohl es sie schmerzte, Geheimnisse vor ihrer Erstschwester zu haben, erzählte sie nichts von den Visionen, die sie dort erlebt hatte.
»Ausgezeichnet. Ich …«, setzte Elayne an, wurde aber unterbrochen.
»Meine Königin?«, rief der Wächter am Eingang. »Ein Bote für Euch.«
»Lasst ihn herein.«
Der Wächter zog die Plane für eine junge Gardistin mit dem Botenband am Mantel zurück. Sie machte eine ausführliche Verbeugung, riss mit der einen Hand den Hut vom Kopf, während sie mit der anderen einen Brief ausstreckte.
Elayne nahm den Brief entgegen, öffnete ihn aber nicht. Die Botin ging wieder.
»Vielleicht können wir doch zusammen kämpfen«, meinte Elayne. »Wenn ich meinen Willen durchsetzen kann, werde ich die Aiel an meiner Seite haben, wenn ich mir Andor zurückhole. Die Trollocs stellen in Caemlyn eine ernste Bedrohung für uns alle dar; selbst wenn ich ihre Hauptstreitmacht aus der Stadt locken kann, kann der Schatten sein Gezücht auch weiterhin durch die Kurzen Wege nach Andor schicken.
Während meine Heere also den größten Teil der Bestien außerhalb von Caemlyn bekämpfen – irgendwie muss ich die Stadt für das Schattengezücht unbewohnbar machen –, schicke ich eine kleinere Streitmacht durch Wegetore hinein, um den Eingang zu den Kurzen Wegen zu erobern. Wenn ich dafür die Hilfe der Aiel erringen könnte …«
Während sie sprach, umarmte sie die Quelle – Aviendha konnte das Glühen sehen – und schlitzte gedankenverloren den Brief auf, brach sein Siegel mit einem Strang Luft.
Aviendha hob eine Braue.
»Es tut mir leid«, sagte Elayne, »ich habe den Punkt meiner Schwangerschaft erreicht, wo ich wieder verlässlich Macht lenken kann, und ich finde immer einen Vorwand, um …«
»Bring die Kinder nicht in Gefahr«, sagte Aviendha.
»Ich bringe sie schon nicht in Gefahr. Du bist genauso schlimm wie Birgitte. Wenigstens hat hier keiner Ziegenmilch. Min sagt …« Sie verstummte und las den Brief. Ihre Miene verfinsterte sich, und Aviendha bereitete sich auf eine schlechte Nachricht vor.
»Ach, dieser Mann …«, stieß Elayne hervor.
»Rand?«
»Eines Tages erwürge ich ihn.«
Aviendha reckte das Kinn. »Wenn er dich beleidigt hat …«
Elayne fuchtelte mit dem Brief herum.
Weitere Kostenlose Bücher