Das Rad der Zeit 5. Das Original: Die Feuer des Himmels (German Edition)
übers Knie legen soll oder … oder … auf einen Baum klettern!«
»Ich weiß.« Elayne entwich ein hilfloses Seufzen. »Aber ich weiß nicht, was ich sonst tun soll.«
Nynaeve knirschte mit den Zähnen, so sehr musste sie an sich halten, um Elayne nicht zu kräftig durchzuschütteln. »Wenn deine Mutter davon erführe, würde sie Lini herschicken, um dich ins Kinderzimmer zurückzuschleifen!«
»Ich bin kein Kind mehr, Nynaeve.« Elaynes Stimme klang gestresst und die Röte ihrer Wangen rührte jetzt nicht mehr von Verlegenheit her. »Ich bin genauso eine Frau wie meine Mutter.«
Nynaeve beschleunigte ihren Schritt und packte dabei ihren Zopf so fest, dass ihre Knöchel schmerzten.
Nach ein paar Schritten hatte Elayne sie eingeholt. »Sollen wir wirklich Gemüse einkaufen?« Ihre Miene war beherrscht und ihr Tonfall heiter.
»Hast du gesehen, was Thom mitgebracht hat?«, sagte Nynaeve mit gepresster Stimme.
Elayne schauderte übertrieben. »Drei Speckseiten. Und dieses furchtbare in Pfeffer eingelegte Rindfleisch. Essen Männer überhaupt etwas anderes als Fleisch, wenn man es ihnen nicht direkt vor die Nase stellt?«
Nynaeves Laune besserte sich, als sie weitergingen und dabei über die Schwächen des schwächeren Geschlechts – natürlich der Männer – und andere ähnlich einfache Dinge plauderten. Natürlich verrauchte ihr Zorn nicht ganz, aber immerhin. Sie mochte Elayne und genoss ihre Gesellschaft. Zuzeiten schien es, als sei das Mädchen tatsächlich Egwenes Schwester. Manchmal hatten sich die beiden ja auch gegenseitig so bezeichnet – wenn Elayne nicht gerade das Flittchen spielte. Thom hätte dem natürlich entgegenwirken können, aber der alte Narr bestätigte Elayne noch, indem er sie behandelte wie ein wohlwollender Vater seine Lieblingstochter, selbst wenn er nicht wusste, ob er hüh oder hott sagen sollte. Wie auch immer, sie würde dem auf den Grund gehen. Nicht Rands wegen, sondern weil Elayne einfach zu gut für so etwas war. Es war, als habe sie sich ein fremdartiges Fieber eingefangen. Nynaeve hatte allerdings vor, sie davon zu heilen.
Die Straßen von Mardecin waren mit Granitplatten gepflastert, die von Generationen von Füßen und Wagenrädern ausgefahren und ausgetreten worden waren, und die Gebäude waren alle aus Backsteinen oder Naturstein erbaut. Allerdings stand eine ganze Anzahl davon leer, sowohl Geschäfte wie auch Wohnhäuser. Manchmal stand sogar die Vordertür offen, sodass Nynaeve in die leeren Räume dahinter blicken konnte. Sie sah drei Schmieden, von denen zwei aufgegeben worden waren, während in der dritten der Schmied gerade seine Werkzeuge halbherzig mit Öl pflegte. Die Essen waren kalt. Vor einer Schenke mit einem Schieferdach saßen die Gäste verdrießlich auf Bänken im Freien. Ein Teil der Fenster war zerbrochen, und bei einer anderen Schenke hing die Tür zum danebenstehenden Stallgebäude schief in den Angeln. Eine verstaubte Kutsche stand im Stallhof. Auf dem Kutschbock brütete einsam eine Henne. Im Schankraum spielte jemand auf der Zither den ›Reiherflug‹, doch selbst diese Melodie klang irgendwie mutlos und halbherzig. Die Eingangstür einer dritten Schenke war mit zwei rissigen Brettern vernagelt.
Die Menschen drängten sich in den Straßen, doch sie bewegten sich träge, von der Hitze erschlagen. Trübe Mienen sagten deutlich aus, dass sie eigentlich – außer der Gewohnheit – eigentlich gar keinen Grund hatten, sich zu bewegen. Viele Frauen trugen große, breitkrempige Hüte, die ihre Gesichter fast ganz verbargen, und die Säume ihrer Kleider waren ausgefranst. Genauso ausgefranst wie die Krägen oder Manschetten an den knielangen Mänteln vieler Männer.
Tatsächlich waren auf den Straßen einige Weißmäntel zu sehen, und wenn es vielleicht nicht so viele waren, wie sie nach Thoms Bericht erwartet hatten, waren es immer noch genug. Nynaeve stockte jedes Mal der Atem, wenn sie bemerkte, dass ein Mann in jungfräulich weißem Umhang und glänzendem Harnisch sie anblickte. Sie wusste wohl, dass sie keinesfalls lange genug mit der Macht gearbeitet hatte, um die typische Alterslosigkeit der Aes Sedai anzunehmen, aber bei diesen Männern war durchaus zu erwarten, dass sie eine Hexe aus Tar Valon, die sich nicht in Amadicia aufhalten durfte, töten würden, selbst wenn sie sie nur einer Verbindung zur Weißen Burg verdächtigten. Sie schritten durch die Menschenmenge und schienen die offensichtliche Armut ihrer Umgebung überhaupt nicht
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