Das Rad der Zeit 5. Das Original: Die Feuer des Himmels (German Edition)
Säumen, und dazu Bänder und Spitzen jeder Breite und Sorte. Schneiderpuppen standen in den Ecken, auf denen sowohl halbfertige, wie auch fertig genähte Kleidungsstücke hingen – von einem Tanzkleid aus besticktem grünen Wollstoff bis zu einem grauen Seidengewand, die sich auch an einem Hof gut ausgenommen hätte. Auf den ersten Blick strahlte der Laden Geschäftigkeit und Wohlstand aus, doch Nynaeves scharfe Augen entdeckten eine feine Staubschicht auf einer hohen Halskrause aus feinster Solindespitze und auf einer großen Samtschleife um die Taille eines anderen Kleides. Im Laden befanden sich zwei dunkelhaarige Frauen. Die eine, jung und mager, wischte sich ständig mit dem Handrücken die laufende Nase, während sie einen Ballen hellroter Seide ängstlich an den Busen drückte. Ihr Haar fiel in einer großen Anzahl langer Korkenzieherlocken auf ihre Schultern, wie das in Amadicia Mode war, doch gegenüber der ordentlichen Frisur der anderen Frau wirkte es verfilzt. Diese andere war von mittleren Jahren und sah recht gut aus. Sie musste ganz bestimmt die Näherin sein, denn an einem Handgelenk trug sie ein großes, mit Nadeln gespicktes Nadelkissen. Ihr Kleid war aus grüner Wolle guter Qualität gefertigt, schön geschnitten, und sicher trug sie es, um ihre Kunst auf diese Art gleich vorzuführen. Um den hohen Kragen herum war es allerdings nur mit wenigen Stickereien in Form weißer Blumen geschmückt, sicher, um ihre Kundinnen nicht in den Schatten zu stellen.
Als Nynaeve und Elayne eintraten, rissen beide Frauen die Augen auf, als sei seit dem letzten Jahr niemand mehr hereingekommen. Die Näherin fing sich zuerst und musterte sie mit ernster Würde, während sie einen leichten Knicks andeutete. »Wie kann ich Euch behilflich sein? Ich heiße Ronde Macura. Mein Geschäft steht Euch zu Diensten.«
»Ich möchte ein Kleid, das am Brustteil mit gelben Rosen bestickt ist«, sagte Nynaeve zu ihr. »Aber bitte ohne Dornen«, fügte sie lachend hinzu. »Ich heile nicht so schnell.« Was sie sagte, spielte keine Rolle, solange die Worte ›gelb‹ und ›heilen‹ darin vorkamen. Wenn jetzt nur nicht dieses Kräuterbündel reiner Zufall war! Falls es so wäre, müsste sie eine Ausrede finden, warum sie doch kein Kleid mit Rosen kaufen wolle. Und einen Ausweg, damit Elayne nicht die ganze unglückliche Angelegenheit brühwarm Thom und Juilin auftischte.
Frau Macura blickte sie einen Augenblick lang mit ihren dunklen Augen an und wandte sich dann zu dem Mädchen. Sie schob sie in den hinteren Teil dieses Gebäudes. »Geh in die Küche Richtung Luci, und bereite eine Kanne Tee für diese guten Damen. Aus der blauen Dose. Das Wasser ist bereits heiß, dem Licht sei Dank. Geh nur, Mädchen. Leg das hin und hör mit der Gafferei auf. Schnell, schnell. Die blaue Dose, vergiss es nicht! Mein bester Tee«, sagte sie, als sie sich wieder Nynaeve zuwandte, während das Mädchen durch die Hintertür verschwand. »Ich wohne über dem Laden, und meine Küche befindet sich hinten.« Sie strich nervös ihren Rock glatt, wobei Daumen und Zeigefinger ihrer rechten Hand einen Kreis andeuteten. Für den Ring der Großen Schlange. Sie würde, wie es schien, keine Ausrede des Kleides wegen benötigen.
Nynaeve erwiderte das Zeichen, und nach einem Augenblick tat es ihnen auch Elayne nach. »Ich heiße Nynaeve, und das ist Elayne. Wir haben Euer Signal gesehen.«
Die Frau bebte wie ein Vogel, der wegfliegen möchte. »Das Signal? Ach ja. Natürlich.«
»Also«, sagte Nynaeve. »Wie lautet Eure dringende Botschaft.«
»Wir sollten hier draußen nicht darüber sprechen … äh … Frau Nynaeve. Es könnte jemand hereinkommen.« Das bezweifelte Nynaeve. »Ich werde es Euch bei einer schönen Tasse Tee berichten. Mein bester Tee, hatte ich das erwähnt?«
Nynaeve tauschte einen Blick mit Elayne. Wenn Frau Macura so zögerte, ihre Botschaft loszuwerden, musste sie wohl wirklich schlimm sein.
»Wenn wir einfach nach hinten gehen«, sagte Elayne, »wird uns niemand hören.« Ihr vornehmes Auftreten ließ die Näherin vor Ehrfurcht erstarren. Einen Augenblick lang hoffte Nynaeve, es werde ihre Nervosität lindern, doch im nächsten Moment plapperte die törichte Frau wieder los.
»Der Tee wird sofort fertig sein. Das Wasser ist bereits heiß. Wir haben sonst immer Tee aus Tarabon hier hereinbekommen. Deshalb bin ich ja wohl auch hier. Natürlich nicht wegen des Tees. All der Handel vorher und all die Neuigkeiten, die man von beiden
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