Das Rad der Zeit 5. Das Original: Die Feuer des Himmels (German Edition)
Allerdings hatte er schon immer gewusst, dass es auf der Welt eine ganze Menge gab, was er nicht verstand. So kehrte er zu seinem Karren zurück, dachte über den Proviant nach, den er mit Rondes Geld erstanden hatte, dachte an seine Frau und seine Schwiegermutter und beschloss schließlich, als er das Pferd in Trab setzte, dass er sich doch einmal in Altara umschauen wolle oder vielleicht sogar in Murandy.
Wie auch immer, es dauerte jedenfalls eine ganze Weile, bis eine ziemlich zerzauste Ronde Macura zu Avi Shendars Haus schlurfte und eine Taube losschickte, eine dünne Knochenröhre an ein Bein gebunden. Der Vogel flog pfeilgerade nach Nordosten in Richtung Tar Valon. Nachdem sie eine Weile nachgedacht hatte, fertigte Ronde eine Kopie des schmalen Streifens aus dünnem Pergament an und befestigte sie am Bein eines Vogels aus einem anderen Schlag. Dieser flog nach Westen, denn sie hatte versprochen, Duplikate all ihrer Nachrichten dorthin zu schicken. In diesen schweren Zeiten musste eine Frau schon sehen, wo sie blieb, und es konnte ja auch nicht schaden, jedenfalls nicht die Art von Bericht, wie sie ihn Narenwin sandte. Sie fragte sich, ob sie den Geschmack des Spaltwurzeltees jemals wieder los würde. Es hätte ihrer Meinung nach aber bestimmt nicht geschadet, wenn der Bericht mit dafür sorgte, dass diejenige, die sich Nynaeve nannte, bestraft würde.
Avi arbeitete wie gewöhnlich in seinem Garten und achtete nicht darauf, was Ronde machte. Und ebenfalls wie gewöhnlich wusch er die Hände, sobald sie weg war, und ging hinein. Sie hatte ein größeres Pergamentblatt als Schreibunterlage verwandt. Als er es gegen den Schein der Nachmittagssonne hielt, konnte er lesen, was sie geschrieben hatte. Bald darauf war eine dritte Taube auf dem Weg, die wiederum in eine ganz andere Richtung flog.
KAPITEL 11
›Zum Neunergespann‹
E in breitrandiger Strohhut warf seinen Schatten auf Siuans Gesicht, als sie sich von Logain unter der brennenden Sonne des Spätnachmittags durch das Scheilientor nach Lugard hineinführen ließ. Die hohe, graue Außenmauer der Stadtbefestigung befand sich in recht schlechtem Zustand. An zwei verschiedenen Stellen, die sie von hier aus einsehen konnte, hatten Einstürze die Mauer auf nicht viel mehr als einen hohen Zaun reduziert. Min und Leane ritten gleich hinter ihr. Beide waren müde von dem strammen Tempo, zu dem sie der Mann in den Wochen seit Korequellen ständig angetrieben hatte. Er wollte die Führung ihrer Gruppe behaupten, und dazu brauchte es nicht viel. Wenn er den Zeitpunkt ihres Aufbruchs am Morgen bestimmte oder Zeitpunkt und Ort ihres Nachtlagers, wenn er ihr Geld verwaltete, und selbst wenn er von ihnen verlangte, dass sie nicht nur das Essen kochten, sondern es ihm auch noch servierten, dann focht sie das keineswegs an. Alles in allem tat er ihr sogar leid. Er hatte keine Ahnung, was sie in Bezug auf ihn plante. Ein großer Fisch als Köder für einen noch größeren, dachte sie grimmig.
Dem Namen nach war Lugard die Hauptstadt von Murandy und der Sitz König Roedrans, doch die Lords in Murandy leisteten wohl ihren Treueeid, zahlten dann aber einfach keine Steuern und taten auch sonst kaum etwas von dem, was Roedran befahl.
Die einfachen Menschen machten es ihnen natürlich nach. Murandy war nur noch dem Namen nach ein Staat. Das Volk wurde kaum durch die vordergründige Anbindung an König oder Königin zusammengehalten. Der Thron wechselte sowieso häufig den Besitzer. Nur die Angst, von Andor oder Illian geschluckt zu werden, wirkte außerdem noch als verbindendes Element.
Kreuz und quer durch die Stadt verliefen weitere Mauern, meist allerdings in noch schlechterem Zustand als die große Stadtmauer. Lugard war im Laufe der Jahrhunderte ganz unregelmäßig und planlos gewachsen und war mehrfach durch sich befehdende Adelsparteien gespalten worden. Es war eine schmutzige Stadt. Viele der breiten Straßen waren ungepflastert und staubig. Die Männer trugen meist hohe Hüte und die Frauen Schürzen über Röcken, die ihre Knöchel zeigten. Sie mussten sich zwischen schwerfällig dahinrumpelnden Wagenzügen hindurchzwängen. In den tiefen Furchen spielten Kinder. Der Handel ernährte Lugard, Handel von Illian und Ebou Dar herauf, von Ghealdan im Westen und von Andor im Norden. Überall in der Stadt sah man große kahle Flächen, auf denen die Planwagen Rad an Rad abgestellt waren. Bei vielen zeichnete sich unter den heruntergelassenen Segeltuchplanen eine volle
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