Das Rad der Zeit 5. Das Original: Die Feuer des Himmels (German Edition)
weiterzusprechen. Zu viele Wunden lagen einfach noch offen. »Sie gibt sich die Schuld. Sie glaubt … alles … sei ihre Schuld, weil sie dich um Hilfe gebeten hat.«
»Hätte sie mich nicht um Hilfe gebeten, würde ihr Moghedien jetzt beibringen, wie man sie am besten anbettelt. Sie ist genauso unvorsichtig wie Gaidal.« Birgittes trockene Bemerkung klang widersinnig, wenn man ihre feuchten Wangen sah. »Sie hat mich ja nicht an den Haaren in das alles hineingezogen. Wenn sie sich für die Folgen verantwortlich fühlt, dann wäre sie auch verantwortlich für mein Handeln.« Nun klang sie beinahe erzürnt. »Ich bin eine freie Frau, und ich weiß selbst, was ich tue. Sie hat nicht für mich entschieden.«
»Ich muss schon sagen, du nimmst das besser auf, als … ich es tun würde.« Sie brachte nicht heraus: ›besser als Nynaeve‹. Das stimmte wohl, aber die andere Version war auch zutreffend.
»Ich sage immer, wenn du schon an den Galgen musst, reiß noch einen Witz für die Menge, gib dem Henker eine Münze und lass dich mit einem Lächeln auf den Lippen fallen.« Birgittes Lächeln war allerdings eher grimmig. »Moghedien hat den Braten gerochen, aber mein Hals ist noch ganz. Vielleicht werde ich sie noch überraschen, bevor alles vorbei ist.« Aus dem Lächeln wurde ein Stirnrunzeln, als sie Elayne musterte. »Ich kann … dich spüren. Ich glaube, ich könnte die Augen schließen und auf dich zeigen, auch wenn du eine Meile weit entfernt wärst.«
Elayne atmete tief durch. »Ich habe dich als Behüterin an mich gebunden«, sagte sie dann hastig. »Du lagst im Sterben, Heilen mithilfe der Macht half nicht, und …« Die Frau sah sie an. Die Stirn hatte sie nicht mehr gerunzelt, doch ihre Augen blickten unangenehm scharf. »Es gab keine andere Wahl, Birgitte. Sonst wärst du gestorben.«
»Eine Behüterin«, sagte Birgitte ganz langsam. »Ich glaube, mich an eine Geschichte von einem weiblichen Behüter zu erinnern, aber das war in einem Leben vor so langer Zeit, dass ich die Einzelheiten vergessen habe.«
Es war Zeit, noch einmal tief Luft zu holen, und diesmal musste sie die Worte aus sich herauszwingen: »Es gibt noch etwas, das du wissen solltest. Du wirst früher oder später daraufkommen, und ich habe beschlossen, wenn es nicht unbedingt sein muss, nichts vor Menschen zu verbergen, die ein Recht darauf haben, etwas Bestimmtes zu erfahren.« Ein dritter tiefer Atemzug. »Ich bin keine Aes Sedai. Ich bin nur eine Aufgenommene.«
Einen langen Augenblick über blickte die Frau mit dem goldenen Zopf zu ihr auf und dann schüttelte sie bedächtig den Kopf. »Eine Aufgenommene. Ich weiß von einer Aufgenommenen während der Trolloc-Kriege, die einen Burschen an sich gebunden hat. Baraschelle hätte am nächsten Tag ihre Prüfung zur Aes Sedai ablegen sollen und hätte ganz sicher die Stola erhalten, aber sie fürchtete, eine andere Frau, die ebenfalls die Prüfung ablegen sollte, würde ihn vor ihr nehmen. Während der Trolloc-Kriege erhob man die Frauen notwendigerweise so schnell wie möglich.«
»Was geschah dann?« Elayne konnte sich die Frage nicht verkneifen. Baraschelle? Der Name kam ihr bekannt vor.
Birgitte erfasste den Rand der Decke über ihrem Busen mit beiden Händen, verschob den Kopf auf dem Kissen und machte eine spöttisch-mitfühlende Miene. »Es versteht sich von selbst, dass man ihr nicht gestattete, die Prüfung abzulegen, als es herauskam. Selbst die Notwendigkeit konnte einen solch groben Verstoß nicht aufwiegen. Sie ließen sie den Behüterbund mit dem armen Burschen auflösen und an eine andere weiterreichen, und um ihr Geduld beizubringen, hat man sie neben die Küchenmägde und Spießmädchen in die Küche gesteckt. Wie ich hörte, musste sie drei Jahre lang dort bleiben, und als sie schließlich die Stola erhielt, hat die Amyrlin selbst ihr einen Behüter ausgewählt, einen ledergesichtigen, sturen Mann namens Anselan. Ich habe sie ein paar Jahre später kennengelernt, und ich konnte nicht feststellen, wer von den beiden die Befehle erteilte. Ich glaube, Baraschelle war das auch nicht ganz klar.«
»Nicht gerade angenehm«, murmelte Elayne. Drei Jahre in der … Halt! Baraschelle und Anselan ? Das konnte doch wohl nicht das gleiche Paar sein, denn in der Legende wurde nichts davon erwähnt, dass Baraschelle eine Aes Sedai gewesen war. Doch andererseits hatte sie bereits zwei verschiedene Versionen gelesen, und Thom hatte eine dritte erzählt, und in allen hatte Baraschelle
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