Das Rad der Zeit 5. Das Original: Die Feuer des Himmels (German Edition)
schlicht durch seine einfache, senkrechte Linienführung. Nur die Aufgehende Sonne Cairhiens mit ihren wellenförmigen Strahlen glänzte auffällig ganz oben an der Rücklehne, wo sie sich über dem Kopf desjenigen erhob, der auf diesem Thron saß.
Rand erkannte, lange bevor er die neun Stufen zu dem Podest erreichte, dass sie ihn eben dorthin setzen wollten. Aviendha schritt neben ihm die Stufen hinauf, und Asmodean, als sein Barde, wurde ebenfalls hinaufgelassen, doch Sulin postierte die Töchter des Speers so um den Sockel, dass sie mit ihren Speeren Meilan und den übrigen Hochlords wie selbstverständlich den Weg hinauf versperrten. Auf diesen tairenischen Gesichtern zeigte sich pure Enttäuschung. Im Saal war es so ruhig, dass Rand seine eigenen Atemzüge hören konnte.
»Der Thron gebührt jemand anderem«, sagte er schließlich in das Schweigen hinein. »Außerdem habe ich zu lange im Sattel gesessen, um nun auf einem so harten Stuhl Platz zu nehmen. Bringt mir einen bequemen Sessel.«
Einen Moment lang hielten die Zuschauer im Saal vor Schreck den Atem an. Dann begann alles, leise durcheinanderzureden. Meilans Miene wirkte mit einem Mal so vollkommen berechnend, auch wenn er den Eindruck schnell wieder zu verwischen suchte, dass Rand beinahe laut gelacht hätte. Höchstwahrscheinlich hatte Asmodean recht, was diesen Mann betraf. Asmodean selbst musterte Rand so nachdenklich, dass klar war, welche Fragen hinter seiner Stirn bohrten.
Es dauerte ein paar Minuten, bis der Mann im sternverzierten Rock schnaufend heraufrannte, gefolgt von zwei dunkellivrierten Dienern, die einen hohen Lehnstuhl mit Seidenpolstern trugen. Unter vielen besorgten Blicken in Rands Richtung zeigte er ihnen, wo sie den Stuhl hinstellen sollten. Die dicken Stuhlbeine und die Lehne empor zogen sich vergoldeter Zierrat, doch vor dem Sonnenthron wirkte er geradezu unbedeutend.
Während die drei Diener sich noch unter vielen tiefen Verbeugungen und Kratzfüßen entfernten, schob Rand die meisten Kissen zur Seite und ließ sich dankbar nieder, den Seanchan-Speer über die Knie gelegt. Er gab sich allerdings Mühe, nicht wohlig zu seufzen. Aviendha beobachtete ihn viel zu genau, als dass er das hätte riskieren können, und Somara blickte auffällig von ihm zu Aviendha hinüber und dann wieder zu ihm, was seinen Verdacht erhärtete.
Doch welche Probleme er auch mit Aviendha und den Far Dareis Mai haben mochte – die meisten Anwesenden warteten mit gemischten Gefühlen, teils erwartungsvoll, teils voller Befürchtung, auf das, was er sagen würde. Zumindest werden sie hüpfen, wenn ich ›Frosch‹ sage, dachte er sarkastisch. Es würde ihnen wohl nicht passen, aber gehorchen würden sie.
Er hatte mit Moiraines Hilfe das alles geplant, was hier zu tun war. Auf einige ihrer Vorschläge war er bereits selbst gekommen gewesen, weil er wusste, dass es so richtig sei. Es wäre angenehmer gewesen, sie jetzt hier neben sich zu haben, damit sie ihm im Zweifelsfall etwas ins Ohr flüstern konnte, anstatt ansehen zu müssen, wie Somara auf ein Signal Aviendhas lauerte, aber Warten hatte keinen Zweck. Sicher befand sich jeder Adlige aus Tear und Cairhien, der sich in der Stadt aufhielt, mittlerweile hier im Saal.
»Warum stehen die Vertreter Cairhiens hinten an?«, fragte er laut, und in die Menge der Adligen kam Bewegung. Vor allem tauschten sie verwirrte Blicke. »Die Tairener kamen, um zu helfen, doch das ist kein Grund für die Vertreter Cairhiens, sich so schüchtern hinten anzustellen. Alle sollen sich jetzt dem Rang nach neu formieren. Alle!«
Es war schwer festzustellen, ob nun die Tairener oder die aus Cairhien überraschter waren. Meilan sah aus, als wolle er die eigene Zunge verschlingen, und die anderen sechs standen ihm nicht viel nach. Selbst der in seinen Reaktionen so gemächliche Aracome wurde blass. Es gab viel Stiefelgetrappel und das Geräusch aneinander vorbeischabender Röcke, es gab viele eisige Blicke auf beiden Seiten, doch sie leisteten seinem Befehl Folge. So standen bald in der vordersten Reihe nur noch Männer und Frauen mit Streifen auf der Brust, und in der zweiten befanden sich nur ein paar Tairener. Am Fuße des Podestes hatten sich noch einmal so viele Lords und Ladies aus Cairhien, zumeist grauhaarig und ausnahmslos mit Streifen vom Kopf bis zu den Knien ausgezeichnet, zu Meilan und seinen Leuten gesellt, obwohl vielleicht ›gesellt‹ der falsche Ausdruck war. Sie standen in zwei Gruppen dort, durch einen
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