Das Rad der Zeit 5. Das Original: Die Feuer des Himmels (German Edition)
Schultern umspielte, anstatt wie bei einer anständigen Frau zu einem Zopf geflochten zu sein. Und so oft sie es auch ausbürstete – dieses glänzende, auffällige Rot blieb trotzdem genauso abscheulich. Und sie wusste nur zu gut, dass hinter ihr auf dem Bett ein blaues Kleid ausgelegt war. So blau, dass selbst eine Kesselflickerfrau die Augen aufgerissen hätte, und genauso tief ausgeschnitten wie das rote Kleid, das sie ursprünglich getragen hatte und das jetzt am Haken hing. Deshalb hatte sie auch dieses eng anliegende, gewagte Seidenhemd an. Ein solches Kleid reichte nicht, jedenfalls nicht nach Valan Lucas Ansicht. Clarine war dabei, ein weiteres in einem giftigen Gelbton zu nähen, und die beiden hatten bereits über ein gestreiftes gesprochen. Nynaeve wollte von Streifen überhaupt nichts wissen.
Der Mann könnte mich wenigstens die Farben auswählen lassen, dachte sie und fuhr sich heftig mit dem gespaltenen Ästchen über die Zähne. Oder Clarine. Aber nein, er hatte seine eigenen Vorstellungen, und er fragte niemals nach denen anderer. Nicht Valan Luca. Seine farbliche Auswahl ließ sie manchmal sogar den tiefen Ausschnitt vergessen. Ich sollte es ihm an den Kopf werfen! Und doch wusste sie, sie würde das nicht tun. Birgitte stellte sich in diesen Kleidern zur Schau, ohne auch nur im Geringsten zu erröten. Die Frau glich wirklich in nichts den Legenden, die man sich über sie erzählte. Nicht, dass sie dieses blödsinnige Kleid widerspruchslos tragen würde, nur weil Birgitte das tat. Sie wollte der Frau doch keine Konkurrenz machen! Es war eben nur, dass … »Wenn du etwas machen musst«, grollte sie um das Ästchen in ihrem Mund herum, »dann gewöhnst du dich am besten gleich daran.«
»Was hast du gesagt?«, fragte Elayne. »Wenn du etwas sagen willst, dann nimm doch bitte dieses Ding aus deinem Mund. Die Geräusche sind wirklich ekelhaft.«
Nynaeve wischte sich das Kinn ab und warf einen wütenden Blick nach hinten. Elayne saß mit hochgezogenen Beinen auf ihrem eigenen schmalen Bett und flocht sich einen Zopf aus ihrem schwarz gefärbten Haar. Sie hatte bereits diese weiße Hose an, ganz mit Pailletten bestickt, und eine schneeweiße Seidenbluse mit Rüschen am Hals, die viel zu durchsichtig war. Ihre mit Münzen bestickte weiße Jacke lag neben ihr. Weiß. Auch sie hatte zwei Garnituren Kleidung für ihre Auftritte, und eine dritte wurde gerade angefertigt – alle in Weiß, wenn auch nicht gerade schlicht zu nennen. »Wenn du dich schon so anziehst Elayne, dann setz dich wenigstens nicht so hin. Es ist unanständig.«
Die andere blickte mürrisch vor sich hin, doch sie stellte die Füße in den weichen Pantoffeln wunschgemäß auf den Boden. Und sie hob das Kinn auf ihre typische, hochnäsige Art. »Ich glaube, ich werde heute morgen einen Spaziergang in die Stadt machen«, sagte sie kühl, wobei sie immer noch an ihrem Zopf flocht. »In diesem Wagen bekomme ich Platzangst.«
Nynaeve spülte sich den Mund aus und spuckte in die Waschschüssel. Laut. Der Wohnwagen kam ihr wirklich jeden Tag enger vor. Vielleicht mussten sie sich wirklich soweit wie möglich vor anderen verbergen, doch das wurde langsam lächerlich. Sicher – es war ihre Idee gewesen, aber die hatte sie längst bereut. Drei Tage mit Elayne hier eingesperrt, außer bei den Vorführungen! Es kam ihr vor wie drei Wochen. Oder drei Monate. Ihr war zuvor noch nie aufgefallen, welch beißende Bemerkungen Elayne immer auf Lager hatte. Jetzt musste einfach ein Schiff ankommen. Gleich, welche Art von Schiff. Sie würde auch die letzte sorgfältig im Ofen versteckte Münze oder das letzte Schmuckstück dafür hergeben, wenn heute noch ein Schiff anlegte, um sie mitzunehmen. »Na ja, das würde auch überhaupt keine Aufmerksamkeit erregen, oder? Vielleicht würde dir die Bewegung gut tun. Oder liegt es an diesen engen Hosen, dass sie sich so über deinen Hüften spannen?«
Blaue Augen blitzten zornig, doch Elaynes Kinn blieb oben und ihr Tonfall kalt: »Ich habe letzte Nacht von Egwene geträumt, und mitten in ihrem Bericht über Rand und Cairhien – denn ich mache mir Sorgen über diese Geschehnisse, auch wenn du das nicht nötig hast –, also mittendrin hat sie gesagt, dass du dich allmählich benimmst wie ein kreischendes altes Weib. Nicht dass ich mich dieser Meinung anschlösse. Ich würde sagen: wie eine Fischhändlerin.«
»Jetzt hör mir mal zu, du übelgelaunte kleine Schlampe! Wenn du jetzt nicht …« Mit immer noch
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