Das Rad der Zeit 5. Das Original: Die Feuer des Himmels (German Edition)
mindestens drei Schritt breiten Streifen getrennt, und sie blickten so betont aneinander vorbei, dass sie genauso gut die Fäuste schwingen und sich gegenseitig hätten anschreien können. Aller Blicke ruhten auf Rand, die der Tairener von Zorn erfüllt, und die der Adligen aus Cairhien immer noch eisig. Das Eis schmolz nur bei einigen andeutungsweise, aber ansonsten sahen sie ihn voller Berechnung im Blick an.
»Mir sind die Flaggen über Cairhien aufgefallen«, sagte er, sobald wieder Ruhe eingekehrt war. »Es ist gut, dass so viele Halbmonde von Tear dort wehen. Ohne das Korn Tears würde in Cairhien niemand mehr leben, der eine Flagge hissen kann, und ohne die Schwerter Tears würden die Menschen, die heute in dieser Stadt überlebt haben, Adlige wie Gemeine, den Shaido gehorchen müssen. Tear hat diese Ehrung verdient.« Das ging den Tairenern natürlich hinunter wie Honig. Sie richteten sich hoch auf, nickten energisch und lächelten noch energischer. Nur die Hochlords schienen verwirrt, weil seine Worte, verglichen mit denen zuvor, so widersprüchlich schienen. Und die Adligen aus Cairhien, die neben dem Podest standen, warfen sich zweifelnde Blicke zu. »Aber ich brauche nicht so viele Drachenbanner, was mich betrifft. Lasst ein Drachenbanner hängen, und zwar am höchsten Turm der Stadt, damit es alle sehen, die sich der Stadt nähern, aber den Rest nehmt herunter und ersetzt ihn durch die Flaggen Cairhiens. Dies ist Cairhien, und die Aufgehende Sonne muss und wird stolz über der Stadt schweben. Auch Cairhien hat seine Ehre und seinen Stolz, und dem werden wir Rechnung tragen.«
Der Saal explodierte so unvermittelt in einem Jubelsturm, dass die Töchter ihre Speere hoben. Der Jubel hallte von den Wänden wider. Blitzartig verständigte sich Sulin durch die Handzeichensprache der Töchter mit den anderen, und bereits halb erhobene Schleier wurden wieder gesenkt. Diese Adligen Cairhiens schrien und jubelten genauso laut, wie es die Menschen auf den Straßen getan hatten. Sie tanzten und warfen die Arme vor Freude empor, als befänden sie sich im Vortor und feierten ein Fest. Inmitten dieses Durcheinanders war es nun an den Tairenern, schweigend finstere Blicke zu tauschen. Sie wirkten aber nicht direkt zornig. Selbst Meilan schien einfach verunsichert, als er wie Torean und die anderen erstaunt das Benehmen der Lords und Ladies von so hohem Rang beobachteten, die einen Augenblick zuvor noch so kalt und würdevoll gewirkt hatten und nun tanzten und dem Lord Drachen zujubelten.
Rand wusste nicht, was die Einzelnen in seine Worte hineinlasen. Natürlich hatte er von ihnen erwartet, dass sie mehr hörten, als er sagte, besonders die Leute aus Cairhien, und vielleicht würde der eine oder andere sogar hören, was er wirklich sagte, doch nichts hatte ihn auf dieses Schauspiel vorbereitet. Die übliche Reserviertheit der Menschen dieses Landes war schon eigenartig, wie er sehr wohl wusste, und wandelte sich manchmal in eine unerwartete Aufdringlichkeit. Moiraine war im Hinblick auf dieses Verhalten sehr zurückhaltend gewesen, obwohl sie ja darauf bestand, ihm wirklich alles beizubringen; und so hatte sie sich auf die Bemerkung beschränkt, wenn diese Reserviertheit einmal überwunden sei, dann in überraschend hohem Maße. Und überraschend war dies hier in der Tat.
Als sich der Jubel endlich legte, begannen sie, ihm einer nach dem anderen Gefolgschaftstreue zu schwören. Meilan war der Erste, der niederkniete und mit angespannter Miene beim Licht und bei seiner Hoffnung auf Erlösung und Wiedergeburt schwor, treu zu dienen und zu gehorchen. Das war eine alte Eidesformel, und Rand hoffte, sie möge einige dazu bringen, sich tatsächlich an den Eid zu halten. Sobald Meilan die Spitze des abgeschnittenen Seanchan-Speers geküsst hatte und sich bemühte, seine saure Miene zu verbergen, indem er sich den Bart strich, wurde er von Lady Colavaere abgelöst. Sie war eine mehr als nur gut aussehende Frau von mittleren Jahren, deren waagrechte Farbstreifen sich vom Spitzenkragen bis zu den Knien fortsetzten, und dunkle Elfenbeinspitzen fielen von den Ärmeln über ihre Hände, die sie Rand entgegenstreckte. Sie sprach die Eidesformel mit klarer, fester Stimme und in diesem musikalischen Tonfall, den er von Moiraine so gut kannte. Auch der Blick aus ihren dunklen Augen hatte etwas ähnlich Abwägendes wie der Moiraines, besonders, als sie Aviendha musterte, während sie knicksend an ihren Platz vor den Stufen
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