Das Rad der Zeit 5. Das Original: Die Feuer des Himmels (German Edition)
Neres darüber zu sprechen.
»Alles passt doch. Sogar der Name: Wasserschlange . Welcher ehrliche Händler würde seinem Schiff einen solchen Namen geben?«
»Na und? Wenn er einer ist? Es wäre nicht das erste Mal, dass wir die Dienste eines Schmugglers in Anspruch nehmen.«
Elayne hob gereizt die Hände. Sie glaubte immer, es sei wichtig, den Gesetzen zu gehorchen, so dumm sie auch manchmal waren. Sie hatte mehr mit Galad gemein, als sie zugeben wollte. Also hatte Neres sie als ›Weiber‹ bezeichnet, ja? Die zweite Schwierigkeit lag darin, genug Platz für die anderen zu finden. Die Wasserschlange war wohl breit, aber doch kein sehr großes Schiff, und wenn man die Besatzung mitzählte, befanden sich gut hundert Menschen an Bord. Ein gewisser Anteil am vorhandenen Platz musste den Besatzungsmitgliedern vorbehalten bleiben, um an den Rudern zu arbeiten oder an der Takelage, und das ließ nicht viel für die Passagiere übrig. Es war auch nicht gerade hilfreich, dass sich die Flüchtlinge soweit wie möglich von den Shienarern fernhielten. Sie hatten wohl die Nase voll von bewaffneten Männern. So gab es kaum genug Platz, dass sich alle setzen konnten, geschweige denn sich hinzulegen.
Nynaeve sprach Neres deswegen ohne Umschweife an. »Diese Leute brauchen mehr Platz. Besonders die Frauen und Kinder. Da Ihr über keine weiteren Kabinen verfügt, müssen sie eben Euren Frachtraum benützen.«
Neres’ Gesicht lief dunkelrot an. Er starrte stur geradeaus auf einen Fleck ungefähr einen Schritt links von ihr und grollte: »Mein Frachtraum ist mit einer wertvollen Ladung gefüllt. Einer sehr wertvollen Ladung.«
»Ich frage mich, ob hier am Eldar auch Zollbeamte auftauchen«, sagte Elayne so nebenher und beobachtete aufmerksam das von Bäumen gesäumte gegenüberliegende Ufer. Hier war der Fluss nur wenige Hundert Schritt breit. Aber am Rand zogen sich breite Streifen aus eingetrocknetem schwarzen Schlamm und aus gelbem Lehm dahin. »Ghealdan auf einer Seite und Amadicia auf der anderen. Es könnte ihnen vielleicht eigenartig vorkommen, dass Euer Frachtraum mit Gütern aus dem Süden vollgestopft ist und Ihr trotzdem nach Süden fahrt. Sicher, Ihr habt bestimmt alle notwendigen Dokumente, um zu beweisen, dass und wo Ihr Zoll bezahlt habt. Und Ihr könnt Ihnen ja auch erklären, dass Ihr in Samara Eure Ladung der Unruhen wegen nicht löschen konntet. Ich habe gehört, die Steuereinnehmer seien eigentlich ganz verständnisvolle Menschen.«
Trotz seiner heruntergezogenen Mundwinkel blickte er immer noch keine von beiden Frauen an.
Deshalb konnte er auch sehr gut beobachten, wie Thom mit seinen leeren Händen wie mit Fächern wedelte, eine schwungvolle Bewegung vollführte und wie plötzlich zwei Messer zwischen seinen gespreizten Fingern hindurchwanderten, bevor eines davon wieder verschwand.
»Man muss immer wieder üben«, sagte Thom und kratzte sich mit der anderen Klinge am Schnurrbart. »Ich will mir meine … Fingerfertigkeit bewahren.« Der Schnitt in seinem weißen Haarschopf, das frische Blut auf seinem Gesicht und dazu der blutverschmierte Riss in einer Schulter seines Mantels – und seine Kleidung wies durchaus noch mehr Schnitte auf –, ließen ihn in jeder Gesellschaft als Schurken erscheinen. Nur Uno übertraf ihn noch. In dem Lächeln, bei dem der Shienarer die Zähne fletschte, lag überhaupt keine Heiterkeit, und das ließ die lange Narbe in seinem Gesicht und den frischen, roten, noch offenen Schnitt auf der anderen Gesichtshälfte zu einer brutalen Grimasse werden. Das böse starrende rote Auge auf seiner Augenklappe wirkte im Vergleich geradezu mild.
Neres schloss die Augen und atmete tief und langgezogen durch.
Die Luken wurden geöffnet, und Kisten und Fässer klatschten ins Wasser, manche schwer, die meisten jedoch leicht und nach Gewürzen duftend. Neres zuckte jedes Mal zusammen, wenn wieder etwas im Fluss landete. Seine Miene hellte sich auf – soweit das überhaupt möglich war –, als Nynaeve befahl, dass Rollen von Seide und Teppiche sowie Ballen feiner Wolle unten verbleiben sollten. Bis ihm klar wurde, dass sie lediglich auf diese Art Betten ersetzen wollte. Wenn vorher seine Miene schon sauer war, dann genügte sein Gesichtsausdruck jetzt, um Milch noch im nächsten Raum zum Gerinnen zu bringen. Die ganze Zeit über sagte er kein Wort. Als einige Frauen mit Eimern an langen Leinen Wasser heraufzuholen begannen, um ihre Kinder an Deck zu waschen, schritt er zum Heck, die
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