Das Rad der Zeit 5. Das Original: Die Feuer des Himmels (German Edition)
sollten jetzt zurückkehren«, sagte sie leise.
»Zurück? Ihr sagtet doch, diese schreckliche Brühe würde mich für mindestens zwei Stunden in tiefen Schlaf versenken, und wir haben noch nicht einmal die Hälfte dieser Zeit hier verbracht!«
»Die Zeit verläuft hier anders.« War das Moghedien gewesen? Das Gesicht war so schnell verschwunden, dass es auch jemand gewesen sein konnte, der sich einen Augenblick lang hierher geträumt hatte. Falls es Moghedien gewesen war, durfte die nicht – auf keinen Fall – merken, dass sie sie bemerkt hatte. Sie mussten weg. Furcht und brennender Zorn deswegen. »Ich habe Euch das doch schon erklärt. Ein Tag in Tel’aran’rhiod kann eine Stunde in der wachenden Welt bedeuten, oder gerade andersherum. Wir …«
»Es braucht schon etwas mehr, um mich hinters Licht zu führen, Mädchen. Ihr müsst nicht glauben, dass Ihr mich so übers Ohr hauen könnt. Ihr werdet mir alles beibringen, was Ihr die anderen lehrt, so wie abgemacht. Wir können gehen, wenn ich erwache.«
Sie hatten dafür keine Zeit. Falls es Moghedien gewesen war. Siuans Kleid war jetzt aus grüner Seide, die Stola der Amyrlin und ihr Großer Schlangenring waren wieder da, doch zur Abwechslung war der Ausschnitt diesmal beinahe so tief wie bei bestimmten Kleidern, die sie hier schon einmal getragen hatte. Das ringförmige Ter’angreal hing über ihren Brüsten und war jetzt auf irgendeine Art Teil einer Halskette aus geschliffenen Smaragden geworden.
Nynaeve handelte, ohne nachzudenken. Ihre Hand fuhr heraus und packte die Halskette so hart, dass sie sich von Siuans Hals löste. Siuan riss die Augen auf, doch sobald der Verschluss zerbrach, verschwand sie, und Halskette sowie Ring schmolzen in Nynaeves Hand dahin. Einen Wimpernschlag lang blickte sie auf ihre leere Hand hinab. Was geschah mit jemanden, den man auf diese Art aus Tel’aran’rhiod hinausbeförderte? Hatte sie Siuan in ihren schlafenden Körper zurückgeschickt? Oder wohin sonst? Ins Nichts vielleicht?
Sie wurde von Panik erfasst. Sie stand einfach nur da und unternahm nichts. In Gedankenschnelle floh sie, und die Welt der Träume schien sich um sie herum völlig zu verändern.
Sie stand auf einer Lehmstraße inmitten eines kleines Dorfes von Holzhütten, von denen keine mehr als ein Stockwerk besaß. Der Weiße Löwe von Andor wehte an einem hohen Mast, und ein einzelner gemauerter Anlegesteg ragte in einen breiten Fluss hinein, über dem eine Gruppe von großen Vögeln mit langen Schnäbeln in geringer Höhe nach Süden flog. Es kam ihr alles ein wenig bekannt vor, aber sie brauchte doch einen Moment, bis ihr klar wurde, wo sie sich befand: Jurene. In Cairhien. Und dieser Fluss war der Erinin. Hier war es gewesen, wo sie, Egwene und Elayne sich auf der Pelikan eingeschifft hatten, einem Schiff, dessen Name genauso fehl am Platz gewesen war wie bei der Wasserschlange , und ihre Reise nach Tear fortgesetzt hatten. Das lag alles so fern, als habe sie es vor langer Zeit in einem Buch gelesen.
Warum war sie nach Jurene geflohen? Das war einfach, und sie beantwortete sich diese Frage selbst, kaum dass sie sie in Gedanken ausgesprochen hatte. Jurene war der einzige Ort in Tel’aran’rhiod , den sie gut genug kannte, bei dem sie aber auch sicher sein konnte, dass ihn Moghedien nicht kannte. Sie hatten sich hier eine Stunde lang aufgehalten, noch ehe Moghedien etwas von ihrer Existenz geahnt hatte, und sie war sicher, dass weder sie selbst noch Elayne ihn jemals wieder erwähnt hatten, weder in Tel’aran’rhiod noch im wachen Zustand.
Doch das führte zu einer anderen Frage. Auf gewisse Weise war es sogar die selbe. Warum ausgerechnet nach Jurene? Warum nicht aus dem Traum heraustreten und im eigenen Bett aufwachen, wenn denn das Geschirrspülen und Bödenschrubben sie nicht derart ausgelaugt hatte, dass sie einfach weiterschlief? Ich kann immer noch hinaustreten. Moghedien hatte sie in Salidar gesehen, falls es Moghedien gewesen war. Also wusste Moghedien nun von Salidar. Ich kann es Sheriam sagen. Wie? Zugeben, dass sie Siuan unterrichtete? Man erwartete von ihr, dass sie diese Ter’angreale nur beim Unterricht für Sheriam und die anderen Aes Sedai benutzte. Nynaeve hatte keine Ahnung, wie Siuan an sie herankommen konnte, wenn sie unterrichtet werden wollte. Nein, sie fürchtete sich keineswegs vor weiteren Stunden, die sie bis zu den Ellbogen im heißen Wasser verbringen musste. Sie hatte Angst vor Moghedien. Der Zorn brannte so heiß
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