Das Rad der Zeit 5. Das Original: Die Feuer des Himmels (German Edition)
Halsband, und vor Schreck weiteten sich ihre Augen. Wut und Schreck. Zuerst mehr Wut als Angst. Nynaeve fühlte das, als seien es ihre eigenen Gefühle. Moghedien wusste mit Sicherheit, was Leine und Halsband zu bedeuten hatten, aber trotzdem versuchte sie, die Macht zu lenken. Gleichzeitig spürte Nynaeve eine leichte Veränderung in ihrem Innern, im A’dam , während die andere sich bemühte, Tel’aran’rhiod dem eigenen Willen zu unterwerfen. Moghediens Versuch zu unterbinden war einfach. Der A’dam stellte eine Verbindung her, und sie hatte die Kontrolle in der Hand. Dieses Bewusstsein machte es ihr leicht. Nynaeve wollte nicht, dass diese Stränge gelenkt wurden, also wurden sie nicht gelenkt. Moghedien hätte genauso gut versuchen können, einen Berg mit bloßen Händen aufzuheben. Die Angst überwältigte den Zorn.
Nynaeve stand auf und formte das entsprechende Bild in ihrem Geist. Sie stellte sich nicht nur Moghedien mit dem Halsband des A’dams vor, nein, sie wusste, dass Moghedien an der Leine hing, wusste es genauso eindeutig, wie sie ihren eigenen Namen kannte. Dieses Gefühl der Veränderung, das ihr so auf der Haut kribbelte, verging trotzdem nicht. »Hört auf damit«, befahl sie in scharfem Ton. Der A’dam bewegte sich nicht, schien aber kaum wahrnehmbar zu zittern. Sie stellte sich Nesseln vor, die von den Schultern bis zu den Knien über den Körper der anderen strichen. Moghedien schauderte und atmete krampfhaft aus. »Hört auf damit, sage ich, oder Ihr werdet Schlimmeres verspüren.« Die Veränderung hörte auf. Moghedien beobachtete sie wachsam. Sie hielt immer noch das silbrige Halsband mit einer Hand und machte den Eindruck, als stünde sie auf Zehenspitzen bereit, davonzulaufen.
Birgitte – das Kind, das Birgitte war oder gewesen war – stand da und musterte sie beide neugierig. Nynaeve stellte sie sich als erwachsene Frau vor und konzentrierte sich. Das kleine Mädchen steckte den Finger wieder in den Mund und begann, den Spielzeugbogen zu betrachten. Nynaeve atmete zornig und schnell. Es war schwierig, etwas abzuändern, was jemand anders bereits festhielt. Und obendrein hatte Moghedien auch noch behauptet, sie könne solche Veränderungen endgültig machen. Aber was sie getan hatte, konnte sie selbst auch wieder aufheben. »Stellt ihren vorherigen Zustand wieder her.«
»Wenn Ihr mich freilasst, werde ich …«
Nynaeve dachte wieder an die Nesseln, und diesmal berührten sie die Haut der anderen nicht nur leicht. Moghedien zog die Luft durch zusammengebissene Zähne ein und bebte wie ein Laken im Sturm.
»Das«, stellte Birgitte fest, »war das Beängstigendste, was mir jemals passiert ist.« Sie war wieder sie selbst, wie zuvor mit Kurzmantel und Pumphosen, doch Bogen und Köcher fehlten. »Ich war wirklich ein Kind, aber zur gleichen Zeit befand ich mich – mein eigentliches Ich – wie eine imaginäre Gestalt irgendwo im Hinterkopf dieses kleinen Mädchens. Und mir war das bewusst. Ich wusste, ich würde einfach nur zuschauen, was geschah, und spielen …« Sie warf mit einem Ruck den goldenen Zopf nach hinten und blickte Moghedien bitter an.
»Wie bist du hierhergekommen?«, fragte Nynaeve. »Ich bin dir dankbar dafür, aber … wie konnte das sein?«
Birgitte warf Moghedien einen weiteren harten Blick zu, öffnete dann den Mantel und fasste am Hals unter ihre Bluse. Sie zog den verdrehten Steinring an seiner Lederschnur hervor. »Siuan ist aufgewacht. Nur einen Augenblick lang, und sicher war sie nicht ganz klar. Aber eben lang genug, um sich zu beklagen, dass du ihr dieses Ding abgenommen hättest. Als du dann nicht gleich nach ihr aufgewacht bist wusste ich, dass etwas nicht stimmte. Also habe ich den Ring genommen und den Rest deines Gebräus für Siuan getrunken.«
»Es war doch kaum etwas übrig. Nur der Satz wahrscheinlich.«
»Genug jedenfalls, um einschlafen zu können. Übrigens, es schmeckt scheußlich! Danach war alles so leicht wie die Suche nach Federtänzern in Shiota. Es war eigentlich so, als wäre ich noch …« Birgitte schwieg und warf Moghedien noch einmal einen bitterbösen Blick zu. Der silberne Bogen erschien in ihrer Hand und ein Köcher voll silberner Pfeile an ihrer Hüfte, doch nach einem Augenblick verschwand beides wieder. »Vorbei ist vorbei, und die Zukunft liegt vor mir«, sagte sie entschlossen. »Es überraschte mich kein bisschen, festzustellen, dass sich gleich zwei hier befanden, die beide genau wussten, dass sie in
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