Das Rad der Zeit 5. Das Original: Die Feuer des Himmels (German Edition)
Frauen heirateten, die als Gai’shain dienen mussten, geschah das nur selten zwischen Clans, die eine Blutfehde ausfochten, auch wenn diese gerade ausgesetzt war.
»Das ist eine Krankheit, die sich im Augenblick ausbreitet«, stellte Enaila hitzig fest. Ihre Stimme klang gewöhnlich so rotglühend, wie ihr Haar war. »Jeden Tag, seit wir nach Rhuidean kamen, flechten ein oder zwei Töchter des Speers Brautkränze.«
Rand nickte und hoffte, sie würden es als Sympathiekundgebung auffassen. Dabei war alles seine Schuld. Doch wenn er ihnen das sagte, müsste er sich fragen, wie viele noch riskieren würden, in seiner Nähe zu bleiben. Vielleicht alle, denn die Ehre verlangte es von ihnen, und Angst hatten sie genauso wenig wie die Clanhäuptlinge. Zumindest drohten bisher nur Hochzeiten, und selbst die Töchter des Speers würden eine Heirat dem vorziehen, was andere schon erlebt hatten. Vielleicht – oder? »Ich werde gleich gehen, nur einen Moment noch«, sagte er zu ihnen.
»Wir werden geduldig warten«, sagte Adelin. Es sah aber kaum geduldig aus, wie sie alle dastanden, katzengleich, bereit, im nächsten Augenblick zu springen.
Er brauchte wirklich nur einen Moment, um zu tun, was er sich vorgenommen hatte. Er verwob Stränge von Geist und Feuer um den gesamten Raum herum und verknotete sie, damit das Gewebe von allein hielt. Jeder konnte den Raum betreten oder verlassen – außer einem Mann, der die Macht benützen konnte. Wenn er selbst oder Asmodean einträten, wäre das, als durchschritten sie eine massive Flammenmauer. Er hatte dieses Gewebe durch Zufall entdeckt, und auch, dass Asmodean, so abgeschirmt wie er jetzt war, zu schwach war, um sich mithilfe der Macht daraus zu befreien. Wahrscheinlich würde niemand die Aktivitäten eines Gauklers infrage stellen, aber falls doch, dann hatte Jasin Natael es eben vorgezogen, so weit wie in Rhuidean möglich von den Aiel entfernt zu schlafen. Das war etwas, das ihm zumindest Hadnan Kaderes Fahrer und Wächter nachfühlen konnten. Und auf diese Weise wusste Rand genau, wo sich der Mann bei Nacht aufhielt. Die Töchter stellten ihm keine Fragen.
Er wandte sich ab. Die Töchter folgten ihm, bildeten einen schützenden Fächer um ihn, als erwarteten sie jeden Moment einen Angriff, und das sogar hier. Asmodean spielte immer noch seine Totenklage.
Mat Cauthon hatte die Arme nach beiden Seiten ausgestreckt und schritt damit über die breite weiße Umrandung des trockenen Brunnens, wobei er den Männern vorsang, die ihm im schwächer werdenden Tageslicht zusahen.
Wir trinken den Wein, bis der Becher geleert,
und küssen das Mädchen, bis es sich nicht mehr wehrt.
Wir würfeln um alles, was des Würfelns wert,
und dann tanzen wir mit dem Schwarzen Mann.
Nach der Hitze des Tages schien die Luft richtig kalt, und er dachte kurz daran, seinen feinen grünseidenen Mantel mit den goldenen Stickereien zuzuknöpfen, doch dieses von den Aiel Oosquai genannte Getränk ließ seinen Kopf schwimmen, und so verflog der Gedanke wieder. Auf einem kleinen Sockel im staubigen Brunnenbecken standen weiße Steinfiguren in Form von drei Frauen, zwanzig Fuß hoch und unbekleidet. Jede hatte eine Hand erhoben, während die andere einen mächtigen Steinkrug auf der Schulter festhielt. Die Krüge waren geneigt, um ihr Wasser in das Becken zu gießen. Bei einer fehlten der Kopf und die erhobene Hand, und bei einer anderen war der Krug zersprungen.
Wir tanzen und unsre Füße sind bloß.
Dann springen die Mädchen uns auf den Schoß.
Am Morgen erst lassen wir sie wieder los,
und dann tanzen wir mit dem Schwarzen Mann.
»Ein schönes Lied, und dann auch noch über den Tod!«, rief einer der Wagenfahrer im Lugarder Dialekt. Kaderes Männer hielten sich eng zusammengedrängt an einer Seite des Brunnens auf, so weit wie möglich von den Aielmännern entfernt. Es waren wohl alles kampferprobte Männer mit harten Gesichtern, aber jedem von ihnen war klar, dass jeder Einzelne der Aiel ihnen bei einem falschen Blick die Kehle aufschlitzen könne. Und ganz unrecht hatten sie damit nicht. »Ich habe meine alte Großmutter vom Schwarzen Mann erzählen hören«, fuhr der Lugarder mit den abstehenden Ohren fort. »Ich find’s nicht richtig, so über den Tod zu singen.«
Mat überlegte mit trunkenem Hirn, wie er auf dieses Lied gekommen war. Er verzog das Gesicht. Keiner hatte ›Tanz mit dem Schwarzen Mann‹ mehr gehört, seit Aldeschar erobert wurde. In seinem Kopf erklang immer noch das
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