Das Rad der Zeit 5. Das Original: Die Feuer des Himmels (German Edition)
trotzige Lied, das die Goldenen Löwen bei ihrem letzten vergeblichen Angriff auf das Heer Artur Falkenflügels gesungen hatten, als sie bereits eingeschlossen waren. Na, wenigstens hatte er nicht wieder in der Alten Sprache geplappert. Er war auch nicht halb so betrunken, wie er nun wirken mochte, aber natürlich hatte er schon ein paar Becher Oosquai zu viel getrunken. Das Zeug sah aus und schmeckte auch wie braunes Wasser, aber man bekam davon einen Schlag, als ob einen ein Maultier vor den Kopf trat. Moiraine wird mich doch noch in die Burg verfrachten, wenn ich nicht vorsichtig bin. Na, das würde mich zumindest von Rand und der Wüste wegbringen. Vielleicht war er doch trunkener, als er selbst glaubte, wenn er das schon für einen guten Tausch hielt. So nahm er sich ein anderes Lied vor, den ›Kesselflicker in der Küche‹.
Kesselflicker in der Küche, schaff nur, schaff geschwind.
Die Hausfrau zieht sich oben aus, denn fort sind Mann und Kind.
Sie tanzt die Trepp herab und löst dabei den Zopf.
»Kesselflickerjunge, ach, flickst du mir noch einen Topf?«
Einige von Kaderes Männern grölten mit, während er zu dem Fleck zurücktanzte, an dem er begonnen hatte. Die Aiel sangen nicht mit, denn bei ihnen sangen Männer ausschließlich Schlachtengesänge oder Totenklagen für die Gefallenen, und die Töchter des Speers sangen auch nur, wenn sie allein beieinander waren.
Zwei Aielmänner saßen auf dem Brunnenrand und zeigten keinerlei Anzeichen der Wirkung des Oosquai , den sie konsumiert hatten. Höchstens wirkten ihre Augen ein ganz klein wenig glasig. Er wäre so gern wieder in Gegenden gelangt, wo diese hellen Augen eine Seltenheit waren. Wo er aufgewachsen war, hatte er – von Rand abgesehen – nur braune oder schwarze Augen gesehen.
Ein paar Holzstücke, meist wurmstichige Beine oder Armlehnen von Stühlen, lagen auf den breiten Pflastersteinen herum. Dort standen keine Zuschauer. Ein leeres rotes Tongefäß lag neben dem Brunnenrand, und dazu eines, das noch etwas Oosquai enthielt. Auch ein silberner Becher lag dabei. Diese Dinge dienten einem Spiel. Man musste in einem Zug trinken und dann mit dem Messer ein in die Luft geworfenes Ziel treffen. Keiner von Kaderes Männern und nur wenige Aiel wollten noch mit ihm würfeln, da er so oft gewann, und Karten spielten sie nicht. Messerwerfen galt dagegen als etwas ganz anderes, besonders, wenn auch noch der Oosquai im Spiel war. Er hatte nicht so oft gewonnen wie beim Würfeln, aber im Becken unter seinem Platz am Brunnenrand lagen ein halbes Dutzend gehämmerter Goldbecher, ein paar Armreifen und Halsketten mit Rubinen, Mondsteinen oder Saphiren, und auch noch ein kleiner Stapel Münzen. Neben seinen Gewinnen lagen noch sein flacher Hut und ein eigenartiger Speer mit einem schwarzen Schaft. Einige der Gegenstände waren sogar von Aiel selbst hergestellt worden, wie man sah. Normalerweise zahlten sie lieber mit Beutestücken als mit Münzen, wenn sie verloren hatten.
Corman, einer der beiden Aiel auf der Umrandung, blickte zu ihm auf, als er mit Singen innehielt. Schräg über seine Nase verlief eine weiße Narbe. »Ihr seid beinahe genauso gut mit dem Messer wie beim Würfeln, Matrim Cauthon. Sollen wir Schluss machen? Die Sonne geht unter.«
»Es ist doch noch hell genug.« Mat blinzelte zum Himmel empor. Bleiche Schatten bedeckten alles hier im Tal von Rhuidean, doch gegen den Himmel konnte man immer noch sehen, wie sich die Gebäude abzeichneten. »Bei dem Licht konnte auch meine Großmutter noch ihr Ziel treffen. Ich könnte es mit verbundenen Augen schaffen.«
Jenric, der andere der beiden Aiel, sah sich nach den Zuschauern um. »Sind hier auch Frauen zugegen?« Er war wie ein Bär gebaut und hielt sich für geistreich. »So redet ein Mann doch nur, wenn er Frauen beeindrucken will.« Die unter den Zuschauern verstreuten Töchter des Speers lachten genauso wie die anderen Männer, wenn nicht noch schallender.
»Glaubt Ihr etwa, ich kann das nicht?«, knurrte Mat und zog sich das dunkle Halstuch ab, mit dem er immer die Narbe verbarg, wo man ihn aufgehängt hatte. »Schrei einfach ›Jetzt‹, wenn du es hochwirfst, Corman.« Schnell band er sich das Halstuch über die Augen und zog eines seiner Messer aus dem Ärmel. Das lauteste Geräusch, das er hören konnte, war das schwere Atmen der Zuschauer. Nicht betrunken? Ich muss doch stockbesoffen sein! Und doch fühlte er plötzlich sein Glück aufsteigen, diesen eigenartigen Schwall, wie sonst,
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