Das Rad der Zeit 6. Das Original: Herr des Chaos (German Edition)
»Man kann ihn durchaus hinters Licht führen, Mat, weil Sammael so geradlinig denkt, aber gibt es irgendein Schlupfloch, durch das er entkommen könnte? Wenn wir nur einen einzigen Fehler begehen, werden Tausende sterben. Zehntausende. Hunderte werden sowieso sterben, aber ich will nicht, dass daraus Tausende werden.«
Mat machte bei diesen Gedanken mit einem Mal eine so böse Miene, dass ein Straßenhändler mit verschwitztem Gesicht, der ihm gerade einen Dolch aufschwatzen wollte, dessen Griff mit bunten gläsernen ›Edelsteinen‹ bedeckt war, diesen beinahe hätte fallen lassen und dann schnell in der Menge untertauchte. Es war immer so bei Rand, dass er vom Hundertsten ins Tausendste kam, von der Invasion in Illian auf die Verlorenen, dann auf Frauen – Licht, Rand war doch derjenige, der immer so gut bei Frauen ankam, er und Perrin –, von der Letzten Schlacht auf die Töchter des Speers und dann auf Dinge, die Mat kaum verstand, und er hörte Mat nur selten zu, wenn der ihm antwortete, und manchmal wartete er nicht einmal auf eine Antwort. Zu hören, wie Rand von Sammael sprach, als kenne er den Mann persönlich und gut, war auch mehr als nur beunruhigend. Er wusste, dass Rand irgendwann einmal wahnsinnig würde, aber falls der Wahnsinn sich bereits jetzt einschlich …
Und was war mit den anderen, diesen Narren, die Rand um sich versammelte, die doch tatsächlich mit der Macht arbeiten wollten , und mit diesem Burschen namens Taim, der das bereits konnte? Rand hatte das nur ganz nebenher erwähnt: Mazrim Taim, der falsche verdammte Drache, unterrichtete Rands verdammte Studenten oder was auch immer sie waren! Wenn sie alle auf einmal wahnsinnig wurden, wollte sich Mat nicht innerhalb von tausend Meilen im Umkreis aufhalten.
Nur konnte er sich seinen Platz genauso wenig aussuchen wie ein Blatt im Wirbelsturm. Er war ein Ta’veren , doch Rand war eindeutig der stärkere. In den Prophezeiungen des Drachen stand nichts von Mat Cauthon, aber er war gefangen wie ein Wiesel unter dem Gartenzaun. Licht, wie er sich wünschte, niemals das Horn von Valere erblickt zu haben!
So stolzierte er mit grimmiger Miene durch das nächste Dutzend Tavernen und Schenkräume, in immer weiteren Kreisen um den ›Goldenen Hirsch‹ herum. Sie unterschieden sich wirklich kaum von der ersten: Tische, an denen sich die Männer drängten, tranken, Würfel rollen ließen oder sich mit Fingerhakeln vergnügten, Musiker, die man über den Lärm hinweg in mehr als der Hälfte aller Fälle kaum mehr hörte, Rotwaffen, die jede Rauferei im Keim zu ersticken versuchten, ein Gaukler, der in einem davon Die Große Jagd rezitierte, denn der Zyklus war äußerst populär, selbst wenn sich keine Jäger des Horns in der Nähe befanden, und in einer anderen Taverne eine kleine junge Frau mit hellem Haar, die ein etwas unzüchtiges Lied von sich gab, das durch ihr rundes Gesicht mit den großen, unschuldigen Augen noch unzüchtiger wirkte.
Seine düstere Stimmung hielt an, als er das ›Silberne Horn‹ – dämlicher Name! – und die Sängerin mit dem Unschuldsblick verließ. Vielleicht lief er deshalb so begierig auf Ablenkung in Richtung des Geschreis los, das plötzlich vor einer weiteren Schenke ein Stück die Straße herunter zu hören war. Die Rotwaffen würden sich darum kümmern, falls Soldaten darin verwickelt waren, aber trotzdem drängte sich Mat durch die Menschenmenge. Rand wurde verrückt und ließ ihn draußen im Sturm vor der Tür stehen. Taim und diese anderen Narren waren bereit, ihm in den Wahnsinn zu folgen. Sammael wartete in Illian, und der Rest der Verlorenen – das Licht wusste, wo. Alle suchten vermutlich nach einer Möglichkeit, so nebenher auch noch Mat Cauthons Kopf zu bekommen. Und dabei berücksichtigte er nicht einmal, was ihm die Aes Sedai antun würden, sollten sie ihn wieder in die Finger bekommen – jedenfalls diejenigen, die zu viel wussten. Und jeder glaubte, er werde hinausmarschieren und den verdammten Helden spielen! Normalerweise bemühte er sich mit vielen guten Worten, eine Auseinandersetzung zu meiden, wenn er schon nicht in der Lage war, einen großen Bogen darum zu machen, aber gerade jetzt suchte er nach einer Ausrede, um irgendjemandem kräftig eins auf die Nase zu geben. Was er jedoch antraf, entsprach ganz und gar nicht seinen Erwartungen.
Eine Ansammlung von Ortsansässigen, kleinen, unauffällig gekleideten Leuten aus Cairhien und dazwischen ein paar hochgewachsenere Andoraner in
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