Das Rad der Zeit 6. Das Original: Herr des Chaos (German Edition)
beinahe genauso viele, wie sich in Salidar versammelt hatten. Wahrscheinlich war das Beste, was sie in Bezug auf die übrig bleibenden erwarten durften, etwa eine Teilung im gleichen Verhältnis. Nach einem großen Ansturm zu Beginn hatte die Anzahl der Neuankömmlinge in Salidar stark abgenommen. Aus dem Strom war ein dünnes Rinnsal geworden. Vielleicht spielte sich in der Burg genau dasselbe ab. Man konnte ja hoffen …
Eine Zeit lang suchten sie schweigend weiter, und dann rief Beonin: »Elaida, sie hat eine Delegation zu Rand al’Thor gesandt!« Elayne sprang auf und wurde gerade noch durch eine hastige Geste Siuans vom Sprechen abgehalten. Die Geste verlor allerdings etwas von ihrer Wirkung, weil Siuan vergessen hatte, zuerst ihr Fadenspiel verschwinden zu lassen.
Sheriam griff nach dem einzelnen Blatt, aber bevor ihre Hand es berührte, wurden drei daraus. »Wo schickt sie die Abordnung hin?«, fragte sie zur gleichen Zeit, als Myrelle rief: »Wann haben sie Tar Valon verlassen?« Die Würde bewahrten sie alle nur noch mühsam.
»Nach Cairhien«, sagte Beonin. »Und ich habe nicht gesehen, wann sie loszogen, falls es überhaupt erwähnt wurde. Aber sie werden sich bestimmt nach Caemlyn begeben, sobald sie wissen, wo er sich aufhält.«
Trotzdem war das natürlich gut, denn sie würden etwa einen Monat oder mehr benötigen, um von Cairhien nach Caemlyn zu ziehen. Die Delegation aus Salidar würde sicher früher bei ihm ankommen. Elayne besaß eine zerfledderte Landkarte, die sie in Salidar unter ihre Matratze gesteckt hatte, und darauf hatte sie jeden Tag markiert, wie weit sie ihrer Meinung nach in Richtung Caemlyn vorwärtsgekommen sein konnten.
Die Graue hatte aber noch nicht ausgesprochen. »Wie es scheint, will Elaida ihm ihre Unterstützung anbieten. Und eine Eskorte zur Weißen Burg.« Sheriam zog die Augenbrauen hoch.
»Das ist doch unsinnig!« Myrelles dunkle Wangen liefen rot an. »Elaida gehörte zu den Roten.« Eine Amyrlin gehörte zu allen Ajahs und zu keiner Einzelnen mehr, aber natürlich konnte keine so einfach vergessen, woher sie kam.
»Diese Frau würde alles tun«, sagte Sheriam. »Vielleicht findet er die Unterstützung der Weißen Burg verlockend?«
»Können wir Egwene eine Botschaft über die Aielfrauen übermitteln?«, schlug Myrelle mit Zweifeln in der Stimme vor.
Siuan hüstelte laut und künstlich, aber nun hatte Elayne wirklich die Nase voll. Egwene vorzuwarnen war natürlich beinahe lebenswichtig, denn Elaidas Leute würden sie garantiert zurück zur Burg schleifen, sollten sie Egwene in Cairhien antreffen, und der Empfang würde alles andere als herzlich ausfallen, aber der Rest …! »Wie könnt Ihr glauben, Rand würde auf irgendetwas hören, was Elaida sagt! Glaubt Ihr etwa, er weiß nicht, dass sie eine Rote Ajah war und was das zu bedeuten hat? Sie werden ihm keineswegs ihre Unterstützung anbieten, und das wisst Ihr genau! Wir müssen ihn warnen!« Darin lag ein gewisser Widerspruch, wie ihr sehr wohl klar war, aber ihre Zunge war ganz in der Gewalt der Sorge. Wenn Rand etwas zustieß, würde sie sterben.
»Und was schlagt Ihr vor, dass wir unternehmen sollen, Aufgenommene?«, fragte Sheriam kühl.
Elayne fürchtete, sie wirke wie ein Fisch, weil sie mit offenem Mund dastand. Sie hatte keine Ahnung, was sie antworten sollte. Doch sie wurde mit einem Mal durch einen Schrei aus einiger Entfernung gerettet, auf den wortloses Kreischen aus dem Vorzimmer folgten. Sie stand der Tür am nächsten, doch als sie hinausrannte, hatte sie die anderen bereits auf den Fersen.
Das Zimmer war bis auf den Schreibtisch der Bewahrerin leer, auf dem sauber angeordnete Stapel von Papieren und Halter voll mit Schriftrollen und anderen Dokumenten lagen, und dazu stand noch eine Stuhlreihe an der einen Wand, wo sich die Aes Sedai hinsetzen konnten, während sie auf ein Gespräch mit Elaida warteten. Anaiya, Morvrin und Carlinya waren weg, aber einer der hohen Türflügel auf den Flur hinaus schloss sich gerade. Die verzweifelten Schreie einer Frau drangen durch den schmalen Spalt und wurden abgeschnitten, als die Türe zu war. Sheriam, Myrelle und Beonin rannten Elayne fast über den Haufen, so eilig hatten sie es, auf den Flur hinauszukommen. Sie erschienen wohl leicht verschwommen, beim Aufprall fühlten sie sich aber solide genug an.
»Seid vorsichtig!«, schrie Elayne, aber es blieb ihr nichts anderes übrig, als den Rock zu lupfen und ihnen zusammen mit Siuan
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