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Das Rad der Zeit 6. Das Original: Herr des Chaos (German Edition)

Das Rad der Zeit 6. Das Original: Herr des Chaos (German Edition)

Titel: Das Rad der Zeit 6. Das Original: Herr des Chaos (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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vorzustellen, wie sie ohne den Albtraum aussähe.«
    Das war nun Sheriams Fehler gewesen, vielleicht auch der aller Aes Sedai hier. Indem sie versuchten, die Macht gegen den Albtraum einzusetzen, hatten sie ihn als real anerkannt, und diese Bereitschaft hatte sie hineingezogen, als wären sie von selbst hineingelaufen, und würde sie dort hilflos binden, wenn sie sich nicht an das erinnerten, was sie vergessen hatten. Es gab aber kein Anzeichen dafür. Die gellenden Schreie bohrten sich tief in Elaynes Gehör.
    »Der Korridor«, murmelte sie nun und versuchte, sich das Bild des Flurs vorzustellen, wie sie ihn zuletzt gesehen hatte. »Denkt an den Korridor, so, wie Ihr euch an ihn erinnert.«
    »Versuche ich ja, Mädchen«, grollte Siuan. »Es funktioniert aber nicht.«
    Elayne seufzte. Siuan hatte recht. Keine Einzelheit der Szene, die sie vor sich sahen, begann auch nur zu verschwimmen. Sheriams Kopf vibrierte richtiggehend über der Metallglocke, die den Rest von ihr umhüllte. Morvrins Heulen wurde durch röchelndes Luftholen unterbrochen. Elayne bildete sich fast ein, hören zu können, wie die Gelenke der Frau knackend auseinandergezerrt wurden. Carlinyas Haar, das unter sie herunterhing, berührte fast die brodelnde Oberfläche des kochenden Öls. Zwei Frauen reichten einfach nicht. Der Albtraum war zu groß.
    »Wir brauchen die anderen«, sagte sie.
    »Leane und Nynaeve? Mädchen, wenn wir wüssten, wo wir sie finden können, wären Sheriam und die anderen tot, bis …« Sie brach ab und starrte Elayne an. »Ihr meint doch nicht Leane und Nynaeve, oder? Ihr meint Sheriam und …« Elayne nickte lediglich; sie fürchtete sich zu sehr, um weiterzusprechen. »Ich glaube nicht, dass sie uns von dort aus hören oder sehen können. Die Trollocs haben nicht einmal in unsere Richtung geblickt. Das bedeutet, wir müssen es von innen her probieren.« Elayne nickte wieder. »Mädchen«, sagte Siuan mit tonloser Stimme, »Ihr habt den Mut eines Löwen und den Verstand eines Kormorans.« Schwer seufzend fügte sie hinzu: »Aber ich sehe auch keinen anderen Weg.«
    Elayne pflichtete ihr insgeheim in Bezug auf alles bis auf den Mut bei. Hätte sie nicht die Knie ganz eng aneinandergepresst, läge sie vermutlich zusammengebrochen auf den Fußbodenfliesen, die in allen Farben der Ajahs gehalten waren. Ihr wurde bewusst, dass sie ein Schwert in der Hand hielt, eine große, schimmernde Stahlklinge, völlig nutzlos, und hätte sie denn gewusst, wie man damit umgeht. Sie ließ es fallen, und es verschwand, bevor es auf dem Boden aufschlug. »Abwarten hilft uns auch nicht weiter«, knurrte sie. Noch etwas länger, und das bisschen Mut, das sie mühsam genug zusammengebracht hatte, wäre verflogen.
    Gemeinsam schritten Siuan und sie der Grenzlinie zu. Elaynes Fuß berührte diese Trennlinie, und mit einem Mal spürte sie, wie sie hineingezogen wurde, so wie Wasser durch ein Rohr.
    Im ersten Moment befand sie sich noch im Flur und blickte zu den Schrecken auf der anderen Seite hinüber, und im nächsten lag sie auf dem Bauch auf unbehauenen grauen Steinen, Handgelenke und Beine gefesselt und hinten bis zu ihrem Kreuz hochgezogen, und die Schrecken spielten sich um sie herum ab. Die Höhle erstreckte sich endlos in alle Richtungen und der Korridor der Burg schien nicht mehr zu existieren. Schreie erfüllten die Luft und hallten von den Felswänden und der Höhlendecke mit ihren tropfenden Stalaktiten wider. Ein paar Schritt von ihr entfernt stand ein riesiger schwarzer Kessel dampfend über einem tosenden Feuer. Ein Trolloc mit Bärenschnauze und Hauern warf Klumpen hinein, die aus irgendwelchen unidentifizierbaren Wurzeln zu bestehen schienen. Ein Kochtopf. Trollocs fraßen alles. Einschließlich Menschen. Sie stellte sich ihre Hände und Füße frei vor, doch das grobe Seil grub sich immer noch in ihre Haut. Selbst der blasseste Schatten von Saidar war verflogen, und die Wahre Quelle existierte nicht mehr für sie, jedenfalls hier. Es war tatsächlich ein Albtraum, und sie war darin wirklich und wahrhaftig gefangen.
    Siuans Stimme schnitt durch die Schreie. Sie klang allerdings eher nach einem schmerzvollen Stöhnen. »Sheriam, hört mir zu!« Das Licht allein mochte wissen, was man ihr gerade antat. Elayne konnte keine der anderen sehen. Nur hören. »Das ist ein Traum! Aaah … uaaaaah! D-denkt daran, wie es eigentlich sein sollte!«
    Elayne nahm den Ruf auf. »Sheriam! Anaiya! Wer mich hören kann, hört zu! Ihr müsst Euch den

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