Das Rad der Zeit 6. Das Original: Herr des Chaos (German Edition)
dahinter Eure Verbrechen zu verbergen.«
Rand seufzte. Einige dieser Ansichten waren schlimmer als alles, was er bisher vernommen hatte. »Ich werde nicht erst fragen, welche davon Ihr glaubt.« Warum sah sie ihn immer noch so eigenartig und finster an? Sie war nicht die Einzige. Auch Luan blickte genauso drein, und Abelle und Ellorien warfen ihm die Art von schnellen Seitenblicken zu, die er von Arymillas Haufen erwartete, wenn sie glaubten, er sehe gerade nicht hin. Sie beobachten. Beobachten. Das war Lews Therin mit heiserem Kichern im Flüsterton. Ich sehe dich. Wer sieht mich? »Werdet Ihr mir stattdessen behilflich sein, Andor wieder zu einer Einheit zusammenzufügen? Ich will nicht, dass aus Andor ein neues Cairhien wird oder, noch schlimmer, ein neues Tarabon oder Arad Doman.«
»Ich kenne einiges aus dem Karaethon-Zyklus «, sagte Abelle. »Ich glaube, Ihr seid der Wiedergeborene Drache, aber nichts sagt aus, dass Ihr herrschen werdet, nur, dass Ihr in Tarmon Gai’don gegen den Dunklen König kämpfen werdet.«
Rands Hand verkrampfte sich so hart um seinen Pokal, dass die dunkle Oberfläche des Weins bebte. Um wie vieles leichter wäre alles, wenn diese vier den meisten Hochlords von Tear ähnelten oder den Adligen Cairhiens, aber keiner von ihnen wollte auch nur ein Stückchen mehr Macht für sich selbst, als er bereits besaß. Auf welche Weise auch der Wein gekühlt worden war, bezweifelte er doch, dass die Eine Macht diese vier einschüchtern werde. Höchstwahrscheinlich würden sie mir sagen, ich solle sie töten und dafür vom Licht verbrannt werden!
Brennen sollst du dafür. Lews Therins verdrießliche Stimme ergab ein trauriges Echo.
»Wie oft muss ich eigentlich noch sagen, dass ich Andor nicht regieren will? Wenn Elayne auf dem Löwenthron sitzt, werde ich Andor verlassen. Und wenn es nach mir ginge, würde ich es nie mehr betreten.«
»Sollte irgendjemand Anspruch auf den Thron haben«, sagte Ellorien mit gepresster Stimme, »dann ist es Dyelin. Solltet Ihr tatsächlich meinen, was Ihr sagt, dann lasst sie krönen und geht. Dann wird Andor eine Einheit sein, und zweifellos werden Euch die andoranischen Soldaten in die Letzte Schlacht folgen, wenn das notwendig wird.«
»Ich lehne das immer noch ab«, sagte Dyelin mit fester Stimme und wandte sich sodann Rand zu. »Ich werde warten und überlegen, mein Lord Drache. Wenn ich sehe, dass Elayne am Leben ist und gekrönt wird und Ihr Andor verlasst, werde ich Euch meine Anhänger zur Verfügung stellen, gleich, ob jemand anders in Andor das Gleiche macht oder nicht. Doch wenn die Zeit vergeht und Ihr hier immer noch regiert, oder falls Eure Aielwilden hier dasselbe anstellen wie angeblich in Cairhien und Tear …« – sie blickte die Töchter und die Roten Schilde finster an, und auch die Gai’shain , als sehe sie im Geist, wie sie brandschatzten und raubten –, »oder wenn Ihr diese … Männer, die Ihr nach Eurer Amnestie hier versammelt, auf Andor loslasst, wende ich mich gegen Euch, gleich, ganz gleich, was die anderen in Andor unternehmen.«
»Und ich reite an Eurer Seite«, sagte Luan mit fester Stimme.
»Ich auch«, sagte Ellorien, und Abelle stimmte ebenfalls zu.
Rand warf den Kopf in den Nacken und lachte unwillkürlich, halb vor Freude, halb vor Zorn. Licht! Und ich hielt einen ehrlichen Widerstand für besser, als hinter meinem Rücken zu intrigieren oder mir die Stiefel zu lecken!
Sie blickten ihn nervös an und dachten zweifellos, der Wahnsinn nage an ihm. Vielleicht hatten sie recht. Er war sich seiner selbst nicht mehr sicher.
»Überlegt, was immer Ihr wollt«, sagte er zu ihnen und stand auf, um das Ende der Audienz anzuzeigen. »Ich meine es so, wie ich es sagte. Aber denkt auch an das Folgende: Tarmon Gai’don rückt näher. Ich weiß nicht, wie lange Ihr noch Zeit zum Überlegen haben werdet.«
Sie verabschiedeten sich von ihm – ein gehemmtes Kopfnicken, wie es unter Gleichstehenden üblich war, noch ausgeprägter als bei ihrer Ankunft –, doch als sie sich zum Gehen wandten, griff Rand nach Dyelins Ärmel. »Ich habe eine Frage an Euch.« Die anderen blieben stehen und wollten sich schon zurückwenden. »Eine private Frage.« Sie zögerte einen Augenblick und nickte dann. Ihre Begleiter gingen ein Stück weiter durch den Thronsaal. Sie beobachteten alles genau, waren aber nicht nahe genug, um zu lauschen. »Ihr habt mich so … seltsam angesehen«, sagte er. Ihr und jeder andere Adlige in Caemlyn. Jeder
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