Das Rad der Zeit 6. Das Original: Herr des Chaos (German Edition)
einem kleinen Schrei ab, und er erkannte, dass er aufgesprungen war.
»Ich … fühle mich ein wenig müde.« Er versuchte, seine Stimme ruhig klingen zu lassen, aber sie klang so fern, als befände er sich tief im Nichts. »Wenn Ihr mich bitte allein lassen würdet.«
Er wusste nicht, welcher Ausdruck auf seinem Gesicht lag, aber Elenia verließ überstürzt ihren Sessel und stellte den Becher hastig auf den Tisch. Sie zitterte, und wenn ihr Gesicht schon vorher blutleer gewesen war, wirkte es jetzt weiß wie Schnee. Sie vollführte einen Hofknicks, der einem beim Stehlen ertappten Küchenmädchen angemessen gewesen wäre, eilte zur Tür, wobei sie mit jedem Schritt schneller ging, und beobachtete ihn unablässig über die Schulter, bis sie die Tür aufriss und den Gang hinab davoneilte. Nandera streckte den Kopf hinein und betrachtete ihn prüfend, bevor sie die Tür wieder zuzog.
Rand stand lange Zeit ins Leere starrend da. Es war kein Wunder, dass jene uralten Königinnen ihn angestarrt hatten. Sie wussten, was er dachte, auch wenn er es selbst noch nicht wusste. Da war wieder diese plötzliche innere Unruhe, die unbemerkt an ihm nagte, seit er den wahren Namen seiner Mutter herausgefunden hatte. Aber Tigraine war nicht mit Morgase verwandt gewesen. Seine Mutter war nicht mit Elaynes Mutter verwandt gewesen. Er war nicht verwandt mit …
»Du bist schlimmer als ein Wüstling«, sagte er laut und verbittert. »Du bist ein Narr und ein …« Er wünschte, Lews Therin würde zu ihm sprechen, damit er sich sagen könnte: Das ist ein Wahnsinniger. Ich bin geistig gesund. Waren es die toten Regenten Andors, die ihn beobachteten, oder war es Alanna? Er schritt zur Tür und riss sie auf, Nandera und Caldin saßen auf den Fersen unter einem Wandteppich mit bunten Vögeln. »Versammelt Eure Leute«, befahl er ihnen. »Ich gehe nach Cairhien. Und sagt Aviendha nichts davon.«
KAPITEL 27
Geschenke
W ährend Egwene zu der großen Zeltstadt zurückkehrte, versuchte sie sich wieder zu sammeln, aber sie war sich nicht sicher, dass ihre Füße tatsächlich den Boden berührten. Nun, sie wusste, dass dem so war. Sie trugen ihren kleinen Teil zu den vom heißen Wind aufgewirbelten Staubwolken bei. Sie musste husten und wünschte, die Weisen Frauen trügen Schleier. Ein um den Kopf gewickeltes Schultertuch erfüllte nicht den gleichen Zweck und vermittelte außerdem das Gefühl, man trüge ein Dampfzelt mit sich. Und doch meinte sie, auf Luft zu gehen. Ihre Gedanken schienen sich zu drehen, aber nicht durch die Hitze.
Zuerst hatte sie geglaubt, Gawyn würde sie nicht treffen, aber dann war er plötzlich einfach da, als sie durch die Menge schritt. Sie hatten den ganzen Morgen im Privatspeiseraum des Großen Mannes verbracht, Händchen gehalten und sich beim Tee unterhalten. Sie war vollkommen schamlos gewesen, hatte ihn geküsst, sobald sich die Tür geschlossen hatte und bevor er auch nur Anstalten gemacht hatte, sie zu küssen, und hatte einmal sogar auf seinen Knien gesessen, wenn auch nicht lange. Es erregte sie, an seine Träume zu denken und daran, sich vielleicht wieder in sie einzuschalten, an Dinge, die keine anständige Frau überhaupt denken sollte! Und schon gar keine unverheiratete Frau.
Sie sah sich hastig um. Die Zelte waren noch eine halbe Meile entfernt, und bis dahin war niemand in ihrer Nähe. Wenn jemand dort gewesen wäre, hätte er sie erröten sehen können. Als sie erkannte, dass sie hinter ihrem Schultertuch einfältig grinste, verbannte sie diesen Ausdruck sofort. Licht, sie musste sich beherrschen, das Gefühl von Gawyns starken Armen vergessen und sich daran erinnern, warum sie so viel Zeit im Großen Mann gehabt hatten.
Sie sah sich um, während sie die Menge durchschritt, suchte Gawyn und versuchte mit einigen Schwierigkeiten, unauffällig zu wirken. Sie wollte nicht, dass er glaubte, sie sei ungeduldig. Plötzlich beugte sich eine Frau zu ihr und flüsterte eindringlich: »Folgt mir zum Großen Mann .«
Sie zuckte zusammen. Sie konnte nicht anders. Sie brauchte einen Moment, um Gawyn zu erkennen. Er trug einen einfachen braunen Umhang und einen fadenscheinigen Staubmantel mit hochgezogener Kapuze, sodass sein Gesicht fast verborgen war. Er war nicht der Einzige, der einen Umhang trug – alle außer den Aiel, die die Stadttore durchschritten, trugen einen Umhang –, aber nicht viele hatten sogar in dieser brütenden Hitze die Kapuze hochgezogen.
Sie ergriff fest seinen Ärmel, als er
Weitere Kostenlose Bücher