Das Rad der Zeit 6. Das Original: Herr des Chaos (German Edition)
eine von ihnen die andere tötet. Sie haben sich bei Streitigkeiten schon immer ein wenig vergessen, und Zarine ist inzwischen zu groß, als dass Deira die Auseinandersetzung noch mit einer Ohrfeige beenden könnte.« Bashere stellte seinen Becher auf den Tisch und sprach weiter, während sie zur Tür gingen. »Einer Sache musst du dir bewusst sein: Nur weil eine Frau sagt, dass sie etwas glaubt muss es noch nicht stimmen. Oh, sie wird es glauben, aber etwas muss nicht unbedingt stimmen, nur weil eine Frau es für wahr hält. Erinnere dich daran.«
»Das werde ich.« Perrin glaubte zu verstehen, was der Mann meinte. Manchmal war sich Faile der Wahrheit nur vorübergehend bewusst. Es ging niemals um etwas Wichtiges, aber wenn sie etwas zu tun versprach, was sie nicht tun wollte, schaffte sie es stets, sich ein Hintertürchen offenzulassen, um ihr Versprechen umgehen zu können, ließ das Versprechen sozusagen bestehen, während sie genau das tat, was sie wollte. Aber er verstand nicht, was das mit Failes Mutter zu tun haben sollte.
Es war ein langer Weg durch den Palast, Säulengänge entlang und Treppen hinauf und hinunter. Es waren nicht viele Saldaeaner zu sehen, aber viele Aielmänner und Töchter des Speers, ganz zu schweigen von rot-weiß livrierten Dienern, die sich verbeugten oder Knickse vollführten, und weiß gewandeten Männern und Frauen wie jene, welche die Pferde übernommen hatten. Sie eilten mit Tabletts oder Armen voller Handtücher umher, die Augen gesenkt, und schienen niemanden zu bemerken, Perrin erkannte bestürzt, dass einige von ihnen dasselbe scharlachrote Stoffband um die Stirn gebunden hatten, das viele Aielmänner trugen. Sie mussten also auch Aiel sein. Und er bemerkte noch eine Kleinigkeit. Genauso viele Frauen wie Männer in weißen Gewändern trugen das Stirnband, und auch Männer in den graubraunen Umhängen und Hosen, aber keine Töchter des Speers. Gaul hatte ihm ein wenig über die Aiel erzählt, aber die Stirnbänder hatte er nie erwähnt.
Als er und Bashere einen Vorraum mit reich verzierten Stühlen und kleinen Tischen auf einem rot und gold und grün gemusterten Teppich betraten, fingen Perrins Ohren den gedämpften Klang von Frauenstimmen auf. Er konnte die Worte durch die dicke Tür nicht verstehen, aber zweifellos war eine der Frauen Faile. Plötzlich dröhnte ein Schlag, gefolgt von einem weiteren, und er zuckte zusammen. Nur ein vollkommener Wollkopf stellte sich zwischen seine Frau und deren Mutter, wenn sie miteinander stritten – nach seinen bisherigen Erfahrungen gingen sie beide auf den armen Tor los, der zu vermitteln versuchte, und er wusste sehr wohl, dass Faile sich unter normalen Umständen behaupten konnte. Aber andererseits hatte er auch schon starke Frauen erlebt, selbst Mütter und sogar Großmütter, die sich von ihren eigenen Müttern wie Kinder behandeln ließen.
Er straffte die Schultern und schritt auf die innere Tür zu, aber Bashere war vor ihm da und klopfte seelenruhig an die Tür, als hätten sie alle Zeit der Welt. Bashere konnte natürlich nicht hören, was für Perrin wie zwei Katzen in einem Sack klang. Nasse Katzen.
Basheres Klopfen unterbrach den Streit jäh. »Herein«, rief eine gelassene Stimme.
Perrin musste sich beherrschen, um sich nicht an Bashere vorbeizudrängen, und als er den Raum betrat, suchte sein Blick hastig Faile, die in einem breiten Sessel saß, den das Licht von den Fenstern weniger erhellte. Der Teppich war überwiegend von einem dunklen Rot, das Perrin an Blut denken ließ, und einer der kleinen Wandbehänge zeigte eine Frau auf einem Pferd, die mit dem Speer einen Leoparden tötete. Ein zweiter Wandbehang zeigte einen hef–tigen Kampf, der um ein Weißes Löwenbanner herum tobte. Faile roch nach einer Mischung aus Empfindungen, die er nicht entwirren konnte, und ihre linke Wange zeigte einen roten Handabdruck, aber sie lächelte ihm zu, wenn auch schwach.
Beim Anblick von Failes Mutter musste Perrin blinzeln. Nach Basheres Bemerkung über die Tauben hatte er eine zarte Frau erwartet, aber Lady Deira war deutlich größer als ihr Mann und wirkte … statuenhaft. Sie wirkte nicht so wuchtig wie Frau Luhhan, die rundlich war, oder wie Daise Congar, von der man glauben könnte, sie würde einem Schmied den Hammer aus der Hand nehmen. Sie war kräftig gebaut, was ein Mann bei seiner Schwiegermutter sicher nicht erwartete, und er konnte erkennen, von wem Faile ihre Schönheit geerbt hatte. Failes Gesicht war das
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