Das Rad der Zeit 6. Das Original: Herr des Chaos (German Edition)
nicht vom Weg abgewichen, um den Kampf zu suchen. Er musste so unausweichlich zu ihr kommen, wie ein Fels einen Berg hinunterrollen musste, wenn man ihn hinabkippte. Er wäre auch nicht zu Fuß marschiert, um dem Kampf fernzubleiben. Sie hatte sein Schnelles Reisen in der Ferne im Blut gespürt, in seinem Blut. Durch Cairhien und Andor, Murandy und jetzt Altara, durch von Aufrührern und Schurken, Straßenräubern und Drachenverschworenen heimgesuchte Länder, auf sie fixiert wie ein auf das Ziel zufliegender Speer, der sich seinen Weg durch jeden bewaffneten Mann bohrte, der ihm im Weg stand. Sogar er konnte das nicht unbeschadet tun. Sie zählte seine Verletzungen im Geiste auf und wunderte sich, dass er noch lebte.
Sie hörte das Geräusch von Pferdehufen zuerst, ein steter Klang, und erst jetzt bemerkte sie das große schwarze Pferd in der Nacht. Auch der Reiter schien die Nacht zu sein. Er würde seinen Mantel tragen. Das Pferd blieb gut fünfzig Schritte von ihr entfernt stehen.
»Ihr hättet Nuhel und Croi nicht ausschicken sollen, mich zu suchen«, rief der unsichtbare Reiter mit rauer Stimme. »Ich hätte sie beinahe getötet, bevor ich erkannte, wer sie waren. Avar, Ihr könnt unbesorgt hinter diesem Baum hervorkommen.« Die Nacht schien zur Rechten in Bewegung zu geraten. Avar trug ebenfalls seinen Mantel und hatte nicht erwartet, gesehen zu werden.
»Das ist verrückt«, murmelte Nisao.
»Sei still«, zischte Myrelle. Dann rief sie mit lauterer Stimme: »Kommt zu mir.« Das Pferd rührte sich nicht. Ein Wolfshund, der seine tote Herrin beklagte, kam nicht bereitwillig zu einer neuen Herrin. Sie wob geschickt Geist und berührte den Teil von ihm, der ihre bindende Kraft enthielt. Es musste geschickt geschehen, sonst würde er es merken, und nur der Schöpfer wusste, welche Erschütterung daraus entstehen würde. »Kommt zu mir.«
Dieses Mal ging das Pferd vorwärts, und der Mann schwang sich herab und kam die letzten Meter zu Fuß heran, ein großer Mann, dessen kantiges Gesicht im Mondlicht wie aus Stein gemeißelt schien. Dann stand er vor ihr, stand über ihr, und sie schaute in Lan Mandragorans kalte blaue Augen, und sie sah den Tod. Das Licht helfe ihr. Wie sollte sie ihn jemals lange genug am Leben erhalten?
KAPITEL 53
Das Lichterfest
D ie in den Straßen von Cairhien tanzenden Menschen ärgerten Perrin. Es war fast unmöglich hindurchzugelangen. Im Schreittanz schlängelte sich eine Kette Tanzender hinter einem großnasigen Burschen mit einer Flöte und ohne Hemd hinter ihm vorbei. Als Letzte in der Reihe tänzelte eine rundliche kleine Frau, die fröhlich lachte und eine Hand von der Taille des Mannes vor ihr nahm, um zu versuchen, Perrin hinter sich in die Reihe zu ziehen. Er schüttelte den Kopf, und entweder erschreckten sie seine gelben Augen oder sein Gesichtsausdruck wirkte so grimmig, wie er es auch selbst empfand, denn sie verlor ihre Fröhlichkeit und sah ihn über die Schulter an, bis die Menge sie verbarg. Eine bereits ergrauende, aber immer noch hübsche Frau in einem dunklen, fast bis zur Taille mit farbigen Schlitzen versehenen Seidengewand schlang Perrin die schlanken Arme um den Hals und reckte den Mund hungrig zu ihm empor. Sie wirkte bestürzt, als er sie sanft unter den Armen ergriff und aus dem Weg hob. Eine Gruppe von Männern und Frauen in seinem Alter, die zu Trommelklängen tanzten, stießen gegen ihn, lachten lebhaft und zupften an seinem Mantel. Sie missachteten sein Kopfschütteln, bis er einen der Männer schließlich heftig von sich stieß und die anderen mit dem Knurren eines Leitwolfs bedachte. Das Lachen wich einem Moment offenen Erstaunens, aber dann lachten sie erneut und versuchten, sein Knurren nachzuahmen, bevor sie fröhlich in die Menge entschwanden.
Es war der erste Tag des Lichterfests, der kürzeste Tag des Jahres, der letzte Tag des Jahres, und die Stadt feierte auf eine Art, wie es sich Perrin niemals hätte vorstellen können. In den Zwei Flüssen würden sie auch tanzen, aber so … Die Cairhiener schienen entschlossen, ein Jahr gesetzte Verhaltenheit an zwei Festtagen wieder wettzumachen. Aller Anstand war dahin und damit jede Barriere zwischen den Bürgern und den Adligen – zumindest in der Öffentlichkeit. Schwitzende Frauen in einfachen, rauen Wollgewändern ergriffen schwitzende Männer in farbig gestreifter dunkler Seide und zogen sie in den Tanz. Männer in den Mänteln der Fuhrmänner oder den Westen der Stallknechte wirbelten Frauen
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