Das Rad der Zeit 6. Das Original: Herr des Chaos (German Edition)
seine fleischigen Hände. Er schien den Blick zu der um Rands Kopf gewickelten Shoufa ängstlich zu meiden. »Geht es Euch …?« Er schluckte und lächelte dann unterwürfig. Einen potenziell Wahnsinnigen – potenziell war vielleicht noch zu sanft ausgedrückt – nach seinem Befinden zu fragen entsprach wohl doch nicht ganz dem, was er ausdrücken wollte. »Hätte der Lord Drache vielleicht gern etwas gewürzten Wein? Ein guter Jahrgang aus Lodan, vermischt mit dem Saft von Honigmelonen?« Ein schlaksiger Landedelmann, ein Gefolgsmann Sunamons namens Estevan mit kantigem Kinn und noch härteren Augen winkte barsch, und ein Diener huschte zu einem kleinen Seitentisch an der Zeltwand, um einen goldenen Pokal zu holen. Ein weiterer Diener beeilte sich, ihn zu füllen.
»Nein«, sagte Rand. Und dann etwas vehementer: »Nein!« Er winkte den Diener beiseite, ohne ihn richtig zu sehen. Hatte Lews Therin tatsächlich seinen inneren Schrei gehört? Irgendwie machte das alles nur noch schlimmer. Er wollte über die sich ergebenden Möglichkeiten jetzt nicht nachdenken; er wollte überhaupt nicht daran denken. »Sobald Hearne und Simaan ankommen, befindet sich fast alles in der richtigen Position.« Diese beiden Hochlords sollten bald hier sein. Sie führten die letzten tairenischen Truppenteile an, die Cairhien vor über einem Monat verlassen hatten. Natürlich waren auch noch kleinere Truppen auf dem Weg nach Süden, und auch weitere Soldaten aus Cairhien. Und auch noch mehr Aiel. Der ständige Zustrom von Aiel zog die Dinge in die Länge. »Ich will sehen …«
Mit einem Mal wurde ihm bewusst, dass im Pavillon Schweigen herrschte. Es war unwahrscheinlich still. Nur Torean unterbrach die Stille, als er den Kopf zurücklegte und den Rest seines Weines herunterkippte. Dann wischte er sich den Mund ab und hielt den Pokal hin, damit er nachgefüllt werde. Doch die Diener schienen sich zu bemühen, mit der rot gestreiften Zeltwand zu verschmelzen. Sulin und die anderen drei Töchter standen plötzlich sprungbereit auf den Ballen ihrer Füße und hatten die eine Hand am Schleier.
»Was ist los?«, fragte er leise.
Weiramon zögerte. »Simaan und Hearne sind … zu den Haddon-Sümpfen marschiert. Sie kommen nicht.« Torean riss einem der Diener einen Krug aus gehämmertem Goldblech aus der Hand und füllte selbst seinen Pokal auf, wobei Punsch auf die Teppiche schwappte.
»Und warum sind sie dorthin gezogen, anstatt hierherzukommen?« Rand erhob seine Stimme nicht. Er war sicher, die Antwort bereits zu kennen. Diese beiden, und fünf andere Hochlords außerdem, hatte er ja schon nach Cairhien geschickt damit sie nicht dazukämen, gegen ihn zu intrigieren.
Unter den Männern aus Cairhien breitete sich – hinter vorgehaltenen Pokalen halb verborgen – gehässiges Grinsen aus. Semaradrid, der mit dem höchsten Rang unter ihnen, dessen Farbstreifen bis unter die Hüftlinie seines taillierten Kurzmantels reichten, grinste ganz offen. Der Mann hatte ein langes Gesicht mit weißen Strähnen an den Schläfen und dunklen Augen, die so hart dreinblicken konnten, dass sie sogar Stein weich erscheinen ließen. Er bewegte sich nur unbeholfen, da er im Bürgerkrieg seines Landes mehrfach verwundet worden war, doch sein Hinken rührte vom Krieg gegen Tear her. Sein Hauptgrund dafür, jetzt mit den Tairenern zusammenzuarbeiten, lag darin, dass sie halt wenigstens keine Aiel waren. Doch andererseits arbeiteten die Tairener ja ebenfalls mit ihnen zusammen, weil die Leute aus Cairhien keine Aiel waren.
Es war einer von Semaradrids Landsmännern, der antwortete, ein junger Lord namens Meneril, der ungefähr die Hälfte der Streifen Semaradrids auf dem Mantel aufwies und eine Narbe im Gesicht, die seinen linken Mundwinkel zu einem ständigen sardonischen Lächeln hochzog. Die Narbe stammte aus dem Bürgerkrieg. »Verrat, mein Lord Drache. Verrat und Rebellion.«
Weiramon scheute vielleicht davor zurück, Rand diese Worte ins Gesicht hinein zu sagen, aber er wollte auch keinen Ausländer für sich sprechen lassen. »Ja, Rebellion«, sagte er schnell, wobei er Meneril wütend anstarrte, doch seine übliche pompöse Art brach gleich wieder durch. »Und nicht nur sie, mein Lord Drache. Die Hochlords Darlin und Tedosian und Hochlady Estanda sind auch darin verwickelt. Seng meine Seele, aber sie haben doch tatsächlich alle eine Widerstandserklärung unterzeichnet! Wie es scheint, haben sich auch etwa zwanzig oder dreißig niedere Adlige
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