Das Rad der Zeit 6. Das Original: Herr des Chaos (German Edition)
Männer im Innern des Zelts zählte er allerdings keineswegs zu seinen Freunden.
Bunte Fransenteppiche bedeckten den Boden des Zeltpavillons, mit tairenischen Labyrinthen und kunstvollen Runenmustern, und in der Mitte stand ein massiver Tisch, rundum beschnitzt und vergoldet und mit auffälligen Einlegearbeiten aus Elfenbein und Türkis. Man benötigte wohl einen Wagen allein, um dieses Ding zu transportieren. Der mit Landkarten bedeckte Tisch trennte eine Gruppe von einem Dutzend Tairenern mit verschwitzten Gesichtern von etwa halb so vielen Männern aus Cairhien, die noch mehr unter der Hitze zu leiden schienen. Jeder Mann hielt einen goldenen Pokal in der Hand, der von ansonsten im Hintergrund bleibenden Dienern in schwarz-goldener Livree immer wieder mit gewürztem Wein aufgefüllt wurde. Alle Adligen trugen Seidenkleidung, nur die glatt rasierten Männer aus Cairhien, klein, schlank und blass, wenn man sie mit den Männern an der anderen Seite des Tisches verglich, trugen dunkle Kurzmäntel, und bis auf die bunten Querstreifen in den Farben ihrer Häuser auf der Brust wirkte ihre Kleidung nüchtern. Die Anzahl dieser Streifen deutete auf den Rang ihres Hauses hin. Die Tairener dagegen, bei denen die meisten Gesichter von sorgfältig gestutzten und eingeölten Vollbärten geziert wurden, trugen wattierte Kurzmäntel, die eine grelle Kakofonie von Farben zeigten, Rot und Gelb und Grün und Blau, aus Satin und Brokat, mit Silber- oder Goldfadenstickerei. Die Männer aus Cairhien wirkten ernsthaft, wenn nicht gar etwas mürrisch. Die meisten zeigten eingefallene Wangen, und jeder hatte den vorderen Teil seines Skalps rasiert und eingepudert. Das war einst Mode bei den Soldaten Cairhiens gewesen, aber nicht bei den Lords. Die Tairener lächelten und schnüffelten an parfümierten Taschentüchern und Pomadetiegeln, die das ganze Zelt mit ihren schweren und aufdringlichen Düften erfüllten. Außer dem Punsch schienen sie nur eines gemeinsam zu haben: Sie starrten die Töchter des Speers alle gleichermaßen finster an und versuchten dann krampfhaft, vorzugeben, die Aiel seien sämtlich unsichtbar.
Hochlord Weiramon, dessen eingeölter Bart und das Haar graue Strähnen aufwiesen, verbeugte sich tief. Hier war er einer von vier Hochlords. Besonders seine kunstvoll mit Silber verzierten Stiefel fielen auf. Die anderen waren der salbungsvolle, übermäßig fette Sunamon, dann Tolmeran, dessen eisengrauer Bart wie die Speerspitze auf dem Schaft seines hageren Körpers wirkte, und schließlich Torean mit seiner Kartoffelnase, der noch mehr nach Bauer aussah als die meisten Bauern selbst. Doch Rand hatte Weiramon das Oberkommando anvertraut – jedenfalls für den Augenblick. Die anderen acht waren Lords von geringerem Rang, ein paar davon glatt rasiert, aber mit kaum weniger Grau in den Haaren. Sie befanden sich hier, weil sie dem einen oder anderen der anwesenden Hochlords Gefolgschaft geschworen hatten, aber alle verfügten über einige Kampferfahrung.
Weiramon war für einen Tairener keineswegs klein geraten, wenn auch Rand ihn um einen Kopf überragte, doch er erinnerte Rand immer an einen aufgeplusterten Gockel, so wie er die Brust herausstreckte und herumstolzierte. »Aller Segen dem Lord Drachen«, verkündete er und verbeugte sich, »dem künftigen Eroberer Illians. Aller Segen dem Herrn des Morgens.« Die anderen kamen nur einen Atemzug später dran, wobei die Tairener die Arme weit ausbreiteten, während die Männer aus Cairhien mit einer Hand die Herzgegend berührten.
Rand verzog das Gesicht. ›Herr des Morgens‹ war einer von Lews Therins Titeln gewesen, wie die bruchstückhaften Berichte aus jener Zeit aussagten. Eine Unmenge von Kenntnissen war während der Zerstörung der Welt verloren gegangen, und Weiteres ging in den Trolloc-Kriegen in Rauch auf und später im Hundertjährigen Krieg, und doch hatten an überraschend vielen Orten Bruchstücke diese Zeiten überdauert. Er war verblüfft, dass Weiramons Anrede mit diesem Titel nicht gleich wieder Lews Therins irres Gejammere in ihm ausgelöst hatte. Genauer betrachtet hatte Rand diese Stimme nicht mehr vernommen, seit er sie in seinem Innern so angeschrien hatte. Soweit er sich erinnern konnte, war es das erste Mal überhaupt gewesen, dass er die Stimme, mit der er seinen Kopf teilte, unmittelbar angesprochen hatte. Die Möglichkeiten, die sich damit andeuteten, ließen ihm einen Schauer den Rücken hinunterrieseln.
»Mein Lord Drache?« Sunamon rang
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