Das Rad der Zeit 7. Das Original: Die Krone der Schwerter (German Edition)
von Angesicht zu Angesicht? Man dankt mir brieflich für meine Dienste und entlässt mich wie einen Schreiber, der die Steuern eingetrieben hat.«
Selbst wenn sie zornig war, war die Erste von Mayene eine der allerschönsten Frauen, die Rand je gesehen hatte. Schwarzes Haar fiel in glänzenden Wellen bis auf ihre Schultern und umrahmte ein Gesicht, das den Blick eines jeden Mannes auf sich zog. Ein Mann konnte in ihren dunklen Augen leicht ertrinken. Heute trug sie glänzende silberne Seide, dünn und anschmiegsam und eher geeignet, einen Liebhaber privat zu unterhalten. Tatsächlich hätte sie das Gewand nicht in der Öffentlichkeit tragen können, wenn der Ausschnitt auch nur noch einen Hauch tiefer gewesen wäre. Er war sich bei dem Anblick nicht sicher, dass sie es tun sollte. Als er den Brief schrieb, hatte er sich gesagt, er wähle diesen Weg, weil er zu viel zu tun und keine Zeit hatte, mit ihr zu streiten. Die Wahrheit war aber, dass er sie zu gern ansah. Aus irgendeinem Grund hatte er begonnen, etwas zu empfinden, was nicht direkt falsch, aber doch fast falsch war.
Sobald sie auftauchte, begann Lews Therin leise zu summen, wie er es tat, wenn er eine Frau bewunderte. Rand merkte plötzlich, dass er sein Ohrläppchen rieb und erschrak. Er wusste instinktiv, dass das noch etwas war, was Lews Therin ohne nachzudenken tat, wie auch das Summen. Er senkte seine Hand, die einen Moment erneut zum Ohr drängte.
Verdammt, dies ist mein Körper!, dachte er zähnefletschend. Meiner! Lews Therin hörte überrascht und verwirrt auf zu summen. Der tote Mann floh lautlos in die tiefsten Schatten von Rands Geist zurück.
Rands Schweigen zeitigte eine Wirkung. Berelain senkte den Brief, und ihr Zorn wich ein wenig. Den Blick in seinen versenkt, atmete sie tief ein, und ihre Wangen röteten sich. »Mein Lord Drache …«
»Ihr wisst warum«, unterbrach er sie. Es war nicht leicht ihr nur in die Augen zu sehen. Seltsamerweise wünschte er sich, Min wäre hier. Sehr seltsam. Ihre Visionen würden jetzt nichts nützen. »Als ihr heute morgen von diesem Meervolk-Schiff zurückkehrtet, wartete auf dem Dock ein Bursche mit einem Dolch.«
Berelain warf verächtlich den Kopf in den Nacken. »Er kam nicht näher als bis auf drei Schritte an mich heran. Ich hatte ein Dutzend Geflügelte Wächter und Lordhauptmann Gallenne bei mir.« Nurelle war mit einigen der Geflügelten Wächter bei den Brunnen von Dumai erschienen, aber Gallenne führte den Oberbefehl. Sie hatte achthundert von ihnen in der Stadt, zusätzlich zu denjenigen, die mit Nurelle zurückgekehrt waren. »Ihr erwartet von mir, dass ich wegen eines Taschendiebs davonlaufe?«
»Spielt nicht die Närrin«, grollte er. »Ein Taschendieb, wenn ein Dutzend Soldaten Euch umstehen?« Sie errötete. Gut, sie wusste Bescheid. Er ließ ihr keine Gelegenheit zu protestieren oder Erklärungen abzugeben oder ähnlich Törichtes. »Dobraine sagte mir, er habe im Palast bereits flüstern hören, Ihr hättet Colavaere verraten. Jene, die sie unterstützt haben, könnten Angst haben, mich zu verhöhnen, aber sie werden dafür bezahlen, wenn Euch jemand niedersticht.« Und Faile, laut Dobraine, ebenfalls. Darum musste man sich kümmern. »Aber sie werden keine Gelegenheit dazu bekommen, weil Ihr nach Mayene zurückgeht. Dobraine wird Euren Platz hier einnehmen, bis Elayne den Sonnenthron beansprucht.«
Zorn vereinnahmte sie. Ihre Augen wurden gefährlich groß. Er war froh gewesen, als sie keine Angst mehr vor ihm gehabt hatte, aber jetzt war er sich nicht mehr so sicher. Als sie den Mund öffnete, um ihren Zorn herauszulassen, berührte Annoura sie am Arm, und sie wandte ruckartig den Kopf. Sie wechselten einen langen Blick, und Berelains Zorn wich wieder. Sie glättete ihre Röcke und straffte energisch die Schultern. Rand wandte hastig den Blick ab.
Merana stand am Rand des Schutzgewebes. Er fragte sich, ob sie hindurchgetreten und wieder rasch zurückgewichen war – wie sonst konnte sie genau vor etwas stehen, was sie eigentlich nicht bemerken durfte? Als er den Kopf wandte, wich sie zurück, bis sie fast die Wände berührte, wobei sie den Blick nicht von ihm ließ, ihrem Gesicht nach zu urteilen, hätte sie ihm zehn Jahre lang den Tee eingegossen, um hören zu können, was gesagt wurde.
»Mein Lord Drache«, sagte Berelain lächelnd, »da ist noch die Angelegenheit mit den Atha’an Miere.« Ihre Stimme war wie warmer Honig. Ihre geschwungenen Lippen hätten einem Stein
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