Das Rad der Zeit 7. Das Original: Die Krone der Schwerter (German Edition)
genauso sehr, wenn nicht sogar mehr fürchten musste wie Asunawa. Sogar Omerna selbst wusste nicht, dass er nur ein Köder war, der die Aufmerksamkeit von dem wahren Meisterspion ablenken sollte, ein Mann, der nur Niall selbst bekannt war – Sebban Balwer, Nialls trockener kleiner Stockfisch von Schreiber. Aber ob Köder oder nicht – gelegentlich ging etwas Nützliches durch Omernas Hände; und nur sehr gelegentlich etwas Schreckliches. Niall hatte keine Zweifel daran, was der Mann brachte. Nichts anderes außer ein vor den Toren aufgetauchter Rand al’Thor hätte ihn auf diese Art hereinplatzen lassen. Das Licht gebe, dass es nur der Wahnsinn eines Teppichhändlers war.
»Ich fürchte, unser Spiel ist für heute morgen beendet«, belehrte Niall Morgase und stand auf. Er verbeugte sich leicht vor ihr, als sie sich ebenfalls erhob, und sie erwiderte diese Huldigung, indem sie den Kopf neigte.
»Vielleicht bis heute Abend?« Ihre Stimme hatte noch immer diesen fast fügsamen Unterton. »Das heißt, wenn Ihr mit mir speisen wollt?«
Niall nahm die Einladung selbstredend an. Er wusste nicht, worauf sie mit dieser neuen Taktik hinauswollte – sicher nicht auf das, was ein Dummkopf vermuten würde –, aber es wäre amüsant, es herauszufinden. Diese Frau steckte voller Überraschungen. Zu schade, dass sie von den Hexen verdorben war.
Omerna trat bis zu der in den Boden eingelassenen großen goldenen, lodernden Sonne vor, die im Laufe der Jahrhunderte von Füßen und Knien abgenutzt worden war. Abgesehen davon war dieser Raum sehr einfach gehalten, und die eroberten Banner, welche die Wände hoch oben unter der Decke säumten, waren vom Alter zerfetzt und zerschlissen. Omerna beobachtete, wie Morgase um ihn herumging, ohne ihn wirklich zu beachten, und als sich die Tür hinter ihr schloss, sagte er: »Ich habe Elayne oder Gawyn noch nicht gefunden, mein Lord.«
»Sind das Eure wichtigen Nachrichten?«, fragte Niall verärgert. Balwer berichtete, dass Morgases Tochter in Ebou Dar sei und noch immer mit den Hexen zusammensteckte. Sie betreffende Befehle waren bereits an Jaichim Carridin gesandt worden. Ihr Sohn plagte sich in Tar Valon, wo sogar Balwer nur wenige Augen-und-Ohren hatte, anscheinend noch immer mit den Hexen herum. Niall nahm einen großen Schluck kühlen Wein. Seine Knochen fühlten sich in letzter Zeit alt und brüchig an, und doch ließ die vom Schatten erzeugte Hitze seine Haut ausreichend schwitzen und trocknete seinen Mund aus.
Omerna zuckte zusammen. »Oh … Nein, mein Lord.« Er suchte in einer Tasche seiner weißen Weste herum und zog dann eine kleine Knochenhülse mit drei roten Längsstreifen hervor. »Ihr wolltet dies gebracht bekommen, sobald die Taube in …« Er brach ab, als Niall ihm die Hülse aus der Hand riss.
Darauf hatte er gewartet. Das war der Grund, warum noch keine Legion mit der – wenn auch nicht als Führerin – voranreitenden Morgase auf dem Weg nach Andor war. Wenn nicht alles Varadins Wahnsinn entsprungen war, den Fieberphantasien eines Mannes, der seine Ausgeglichenheit verloren hatte, während Tarabon in Anarchie versank. Andor würde warten müssen. Andor, und vielleicht noch mehr.
»Ich … ich habe die Bestätigung erhalten, dass die Weiße Burg wahrhaftig gespalten ist«, fuhr Omerna fort. »Die … die Schwarze Ajah hat Tar Valon eingenommen.« Kein Wunder, dass er beunruhigt klang, wenn er ketzerische Reden führte. Es gab keine Schwarze Ajah. Alle diese Hexen waren Schattenfreunde.
Niall beachtete ihn nicht und brach mit dem Fingernagel das Wachssiegel der Hülse. Er hatte Balwer dazu benutzt, diese Gerüchte in Umlauf zu bringen, und jetzt kehrten sie zu ihm zurück. Omerna glaubte jedes Gerücht, das er hörte, und er hörte sie alle.
»Und es gibt Berichte, dass die Hexen sich mit dem falschen Drachen al’Thor beraten, mein Lord.«
Natürlich berieten sich die Hexen mit ihm! Er war ihre Schöpfung, ihre Marionette. Niall ignorierte das Geschwätz des Narren und trat wieder an den Spieltisch, während er eine schmale Papierrolle aus der Hülse zog. Er ließ niemals jemanden mehr über diese Nachrichten wissen, als dass sie existierten, und selbst das wussten nur wenige. Seine Hände zitterten, als er das dünne Papier entrollte. Seine Hände hatten nicht mehr gezittert, seit er sich vor über siebzig Jahren als Junge seinem ersten Kampf gegenübergesehen hatte. Jene Hände schienen jetzt kaum noch mehr als Knochen und Sehnen, aber sie besaßen
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