Das Rad der Zeit 7. Das Original: Die Krone der Schwerter (German Edition)
bestimmten Zweck irgendwohin unterwegs waren. Grund genug zu starren und dankbar zu sein, wenn sie außer Sicht gelangten.
Kurz vor dem Horizont führte die Straße auf eine Anhöhe, von der aus man Cairhien zwei bis drei Meilen vorausliegen sah. Rand verhielt sein Pferd, und die Töchter des Speers, die jetzt alle zusammen waren, kauerten sich an Ort und Stelle nieder.
Nichts bewegte sich auf den fast baumlosen Hügeln um die Stadt, die eine gewaltige, im Westen zum Alguenya hin abfallende, eckige Mauern und kantige Türme aufweisende und starr wirkende Masse grauen Steins war. Schiffe aller Größen hatten im Fluss Anker geworfen, und einige hatten an den Docks am entgegengesetzten Ufer festgemacht, wo sich die Getreidespeicher befanden. Einige Schiffe fuhren mit gesetzten Segeln dahin. Sie vermittelten den Eindruck von Frieden und Wohlstand. Da keine Wolke am Himmel stand, war die Luft klar, und Perrin konnte die großen, auf den Türmen der Stadt wehenden Banner deutlich erkennen, als der Wind sie entfaltete: das scharlachrote Banner des Lichts und das weiße Drachenbanner sowie die goldene, aufgehende Sonne von Cairhien mit ihren wellenförmigen Strahlen auf blauem Grund. Und ein viertes Banner, das ebenso ins Auge sprang wie die anderen. Es zeigte einen Silberdiamant auf einem gelb und rot karierten Feld.
Dobraine senkte das kleine Fernglas und verstaute es stirnrunzelnd in einer an seinem Sattel befestigten Lederhülle. »Ich hatte gehofft, die Wilden hätten sich geirrt, aber wenn das Haus Saighan die aufgehende Sonne hisst, hat Colavaere den Thron inne. Sie wird jeden Tag in der Stadt Geschenke verteilt haben: Geld, Nahrung, Putz. Das ist bei den Krönungsfeierlichkeiten Tradition. Ein Regent ist niemals beliebter als in der Woche nach seiner Thronbesteigung.« Er sah Rand von der Seite an. Die bemühte Offenheit ließ sein Gesicht hohl wirken. »Die Bürgerlichen könnten sich erheben, wenn ihnen Eure Handlungsweise nicht gefällt. Die Straßen könnten von Blut erfüllt werden.«
Haviens grauer Wallach reagierte auf die Ungeduld seines Reiters mit Unruhe. Der Mann schaute ständig zwischen Rand und der Stadt hin und her. Es war nicht seine Stadt. Er hatte schon früher deutlich gemacht, dass es ihn wenig kümmerte, was in deren Straßen vor sich ging, solange sein Regent in Sicherheit war.
Rand betrachtete die Stadt lange Zeit versonnen. Zumindest schien es so. Aber was auch immer er sah – sein Gesicht blieb ausdruckslos. Min musterte ihn besorgt und vielleicht auch ein wenig mitleidig. »Ich werde versuchen, dafür zu sorgen, dass das nicht geschieht«, sagte er schließlich. »Flinn, bleibt mit den Soldaten hier. Min …«
Sie unterbrach ihn heftig. »Nein! Ich gehe dahin, wo du hingehst, Rand al’Thor. Du brauchst mich, und das weißt du.« Letzteres klang mehr nach einer Bitte als nach einem Anspruch, aber wenn eine Frau auf ihre Art die Fäuste in die Hüften stemmte und angespannt dreinsah, bat sie nicht.
»Ich gehe auch mit«, fügte Loial hinzu, der auf seiner langstieligen Streitaxt lehnte. »Du unternimmst immer etwas, wenn ich gerade woanders bin.« Seine Stimme nahm einen klagenden Unterton an. »Das geht nicht, Rand. Es wird für das Buch nicht genügen. Wie kann ich über Dinge schreiben, die ich nicht miterlebt habe?«
Rand sah noch immer Min an, hatte die Hand halbwegs zu ihr ausgestreckt, ließ sie dann aber wieder sinken. Sie hielt seinem Blick gleichmütig stand.
»Das ist … verrückt.« Dashiva hielt die Zügel starr in der Hand und führte die gedrungene Stute näher an Rands Schwarzen heran. Sein Gesicht zeigte einen widerwilligen Ausdruck. Vielleicht bereitete es sogar Asha’man Unbehagen, Rand nahe zu sein. »Es braucht nur irgendwo ein Mann mit einem … einem Bogen oder Dolch zu lauern, den Ihr nicht rechtzeitig seht. Schickt einen der Asha’man, das zu tun, was getan werden muss, oder auch mehr, wenn Ihr es für notwendig haltet. Es könnte ein Wegetor zum Palast eröffnet werden, bevor irgendjemand erkennt, was geschehen ist.«
»Und wir müssten bis nach Einbruch der Dunkelheit hier warten«, unterbrach Rand ihn und wendete seinen Hengst, um Dashiva anzusehen, »bis sie diesen Ort ausreichend gut kennen, um eines zu eröffnen. Auf diese Weise gibt es bestimmt Blutvergießen. Man hat uns von den Mauern aus bereits gesehen, es sei denn, sie sind blind. Sie werden früher oder später jemanden schicken, um herauszufinden, wer und wie viele wir sind.« Die
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