Das Rad der Zeit 7. Das Original: Die Krone der Schwerter (German Edition)
die Macht auch lenken. Der Wahnsinn wartet auf mich, aber dich hat er bereits vereinnahmt! Du hast dich selbst getötet, Brudermörder, nachdem du deine Frau und deine Kinder und, nur das Licht allein weiß, wie viele Menschen noch getötet hast. Ich werde nicht töten, wenn ich es nicht tun muss! Hörst du mich, Brudermörder? Nur Schweigen antwortete.
Er atmete tief, aber ungleichmäßig ein. Der Zorn flackerte auf wie entferntes Blitzen. Er hatte niemals zuvor so mit dem Mann gesprochen – es war der Mann, nicht nur eine Stimme, ein Mensch, voller Erinnerungen. Vielleicht ließ sich Lews Therin auf diese Weise endlich vertreiben. Die Hälfte der verrückten Phrasen des Mannes war Gejammer über den Tod seiner Frau. Aber wollte er Lews Therin vertreiben? Er war in der Kiste sein einziger Freund gewesen.
Er hatte Sulin versprochen, bis hundert zu zählen, bevor er folgen würde, aber er hörte bei fünf auf und überbrückte dann mit einem Schritt die hundertfünfzig Meilen bis Caemlyn.
Die Nacht hatte sich auf den Königlichen Palast von Andor herabgesenkt, Mondschatten verhüllten filigrane Türme und goldene Kuppeln. Die sanft wehende Brise konnte die Hitze nicht vertreiben. Der noch immer fast volle Mond hing am Himmel und spendete Licht. Verschleierte Töchter des Speers machten sich um die hinter den Ställen des größten Palasts aufgereihten Karren herum zu schaffen. Der Geruch des Stallmists, den die Karren jeden Tag abtransportierten, war schon lange in das Holz eingedrungen. Die Asha’man hielten sich die Hände vors Gesicht, und Eben kniff tatsächlich die Nase zu.
»Der Car’a’carn zählt schnell«, murrte Sulin, aber sie senkte ihren Schleier. Hier würde es keine Überraschungen geben. Niemand würde sich in der Nähe der Karren aufhalten, der dies nicht tun musste.
Rand schloss das Wegetor, sobald die verbliebenen Töchter des Speers direkt hinter ihm hindurchgelangt waren, und als es verschwand, flüsterte Lews Therin: Sie ist fort. Fast fort. Erleichterung schwang in seiner Stimme mit. Im Zeitalter der Legenden hatte es den Bund von Behütern und Aes Sedai nicht gegeben.
Alanna war nicht wirklich fort, nicht mehr als sie jemals sonst fort gewesen war, seit sie sich gegen seinen Willen mit Rand verbunden hatte, aber ihre Gegenwart war weniger spürbar geworden, und genau das machte es Rand wahrhaft bewusst. Man konnte sich an alles gewöhnen, wenn man es als gegeben hinnahm. In ihrer Nähe war er sich ihrer Empfindungen und ihrer seelischen Verfassung bewusst und ebenso, wenn er nur darüber nachdachte, wusste er genauso gut, wo sie war, wie er wusste, wo seine Hand war. Nur Abstand zeitigte Wirkung, auch wenn er noch immer spüren konnte, dass sie irgendwo östlich von ihm war. Er wollte sich ihrer bewusst sein. Sollte Lews Therin in Schweigen verfallen und alle Erinnerungen an die Kiste irgendwie aus seinem Geist gelöscht werden, wollte er den Bund noch immer als Erinnerung an folgende Worte bewahren: »Vertraue niemals einer Aes Sedai.«
Er erkannte jäh, dass Jonan und Eben Saidin immer noch festhielten. »Lasst es los«, befahl er scharf – es war der Befehl, den Taim benutzte –, und er spürte, wie die Macht von ihnen wich. Ich töte sie, bevor es zu spät ist, murmelte Lews Therin. Auch Rand ließ die Quelle widerwillig los. Er hasste es stets, dieses Leben, die verstärkten Sinne loszulassen. Den Kampf loszulassen. Innerlich war er jedoch angespannt, sprungbereit und darauf vorbereitet, die Quelle erneut zu ergreifen. Dazu war er jetzt immer bereit.
Ich muss sie töten, flüsterte Lews Therin.
Rand verdrängte die Stimme, schickte eine der Töchter des Speers – Nerilea, eine Frau mit kantigem Gesicht – in den Palast und ging dann an den Karren entlang, während seine Gedanken erneut und schneller als zuvor zu kreisen begannen. Er hätte nicht hierherkommen sollen. Er hätte Fedwin mit einem Brief schicken sollen. Die Gedanken kreisten. Elayne. Aviendha. Perrin. Faile. Berelain. Mat. Licht, er hätte nicht kommen sollen. Elayne und Aviendha. Annoura und Berelain. Faile und Perrin und Mat. Farbblitze, schnelle Bewegung – unmittelbar jenseits des Sichtfeldes. Ein Wahnsinniger, der in der Ferne zornig murrte.
Er bemerkte allmählich, dass sich die Töchter des Speers über den Geruch unterhielten. Sie deuteten an, er käme von den Asha’man. Sie wollten gehört werden, sonst hätten sie die Zeichensprache benutzt. Der Mond spendete genug Licht. Der Mond spendete auch
Weitere Kostenlose Bücher