Das Rad der Zeit 7. Das Original: Die Krone der Schwerter (German Edition)
unmittelbar vor ihm lag, die mondbeschienenen Fliesen des Hofs und dann Steinstufen und Marmorfliesen bei Lampenlicht, bisweilen mit einem langen Teppichläufer bedeckt. Er strengte seine Augen an, wenn Schatten sich bewegten, spürte nach der verräterischen Gegenwart Saidins oder, schlimmer noch, dem Kribbeln, das verkündete, dass eine Frau Saidar festhielt. Blind wie er war, würde er einen Angriff vielleicht erst bemerken, wenn es zu spät wäre. Er hörte das leise Geräusch dahineilender Füße der wenigen Diener, die ihren nächtlichen Aufgaben nachgingen, aber niemand sprach fünf Töchter des Speers an, die anscheinend zwei mit Kapuzen verhüllte Gefangene begleiteten. Da Bael und Bashere im Palast lebten und Caemlyn mit ihren Männern überwachten, waren in diesen Gängen zweifellos schon seltsamere Anblicke gesichtet worden. Es war, als ginge man durch ein Labyrinth. Aber immerhin hatte Rand, seit er Emondsfeld verlassen hatte, bereits eines oder zwei Labyrinthe durchschritten, auch wenn er geglaubt hatte, einen deutlichen Weg zu verfolgen.
Würde ich einen deutlichen Weg erkennen, wenn ich ihn sähe?, fragte er sich. Oder misstraue ich allem schon so sehr, dass ich ihn für eine Falle halten würde?
Es gibt keine deutlichen Wege. Nur Fallgruben und Stolperdrähte und Dunkelheit. Lews Therins Brummen klang dumpf und verzweifelt. Es klang so, wie Rand sich fühlte.
Als Sulin sie schließlich in einen Raum führte und die Tür schloss, hob Rand heftig den Kopf, um die Kapuze abzuwerfen – und erstarrte. Er hatte Bael und Davram erwartet, aber nicht Davrams Frau, Deira, und auch nicht Melaine oder Dorindha.
»Ich grüße Euch, Car’a’carn .« Bael, der größte Mann, den Rand je gesehen hatte, saß in seinem Cadin’sor mit gekreuzten Beinen auf den grün-weißen Bodenfliesen und erweckte trotz der behaglich wirkenden Atmosphäre den Eindruck, als wäre er im Handumdrehen zum Angriff bereit. Der Clanhäuptling war nicht jung – kein Clanhäuptling war jung –, und Grau durchzog sein dunkles, leicht rötliches Haar, aber jedermann, der glaubte, er sei mit dem Alter verweichlicht, würde eine böse Überraschung erleben. »Möget Ihr stets Wasser und Schatten finden. Ich stehe hinter dem Car’a’carn , und meine Speere stehen hinter mir.«
»Wasser und Schatten sind vielleicht recht gut«, sagte Davram Bashere, während er ein Bein über die goldüberzogene Lehne seines Sessels legte, »aber mir persönlich wäre eisgekühlter Wein lieber.« Davram war ein wenig größer als Enaila; er hatte seinen blauen Kurzmantel geöffnet, und Schweiß glänzte auf seinem dunklen Gesicht. Er wirkte mit seinen wild dreinblickenden, schräg stehenden Augen und seiner hakenförmigen Adlernase über einem dichten, von Grau durchzogenen Schnurrbart, trotz seiner augenscheinlichen Gleichgültigkeit, noch härter als Bael. »Ich gratuliere Euch zu Eurer Flucht und Eurem Sieg. Aber warum kommt Ihr wie ein Gefangener verkleidet hierher?«
»Ich möchte eher wissen, ob er uns Aes Sedai auf den Hals hetzt«, warf Deira ein. Failes Mutter war eine große Frau in einem golddurchwirkten, grünen Seidengewand und ebenso groß wie jede Tochter des Speers außer Somara, das lange schwarze Haar an den Schläfen von Weiß durchzogen, ihre Nase nur eine Spur weniger kühn als die ihres Ehemanns. Tatsächlich konnte er aber von ihr noch etwas lernen, und sie war ihrer Tochter in einer Beziehung sehr ähnlich: Ihre Treue galt ihrem Gemahl, nicht Rand. »Ihr habt Aes Sedai gefangen genommen ! Müssen wir jetzt erwarten, dass uns die gesamte Weiße Burg angreift?«
»Wenn sie das tun«, sagte Melaine scharf, während sie ihr Schultertuch richtete, »werden sie bekommen, was sie verdienen.« Blond, grünäugig und wunderschön, dem Gesicht nach zu urteilen nur wenige Jahre älter als Rand, war sie eine Weise Frau – und mit Bael verheiratet. Was auch immer die Weisen Frauen dazu veranlasst hatte, ihre Ansicht über Aes Sedai zu ändern, so hatten Melaine, Amys und Bair doch die meisten Veränderungen bewirkt.
»Ich möchte wissen«, sagte die dritte Frau, »was Ihr wegen Colavaere Saighan zu unternehmen gedenkt.« Obwohl Deira und Melaine eine starke Präsenz besaßen, übertraf Dorindha sie beide noch, obwohl nur schwer festzustellen war weshalb. Die Dachherrin der Rauchquellenfeste war eine kräftige, mütterliche Frau, eher ansehnlich als hübsch, mit Falten um die blauen Augen und genauso viel Weiß im hellroten Haar, wie
Weitere Kostenlose Bücher