Das Rad der Zeit 7. Das Original: Die Krone der Schwerter (German Edition)
reinem Zustand? Das war unvorstellbar. Er wollte mehr heranziehen, alles heranziehen, was vorhanden war.
Darin lag die tödliche Verführung. Ein Fehler – und die Fähigkeit, die Macht zu lenken, würde für immer in ihm verdorren. Ein Fehler – und sein Verstand wäre verloren, wenn er, und vielleicht auch alles andere um ihn herum, nicht einfach auf der Stelle vernichtet würde. Es war kein Wahnsinn, sich auf den Kampf ums Dasein zu konzentrieren. Es war, als würde man mit verbundenen Augen über eine Grube voller zugespitzter Pfähle springen, sich in einem solch reinen Gefühl fürs Leben sonnend, dass der Gedanke daran, es aufzugeben, die Vorstellung einer für immer in Grauschattierungen versinkenden Welt war. Es war kein Wahnsinn.
Seine Gedanken drehten sich durch den Tanz mit Saidin , glitten durch das Nichts. Da war Annoura, die ihn mit diesem Aes-Sedai-Blick beobachtete. Und worauf wollte Berelain hinaus? Sie hatte niemals einen Aes-Sedai-Berater erwähnt. Und auch nicht jene andere Aes Sedai in Cairhien. Wo waren sie hergekommen und warum? Da waren die Aufrührer außerhalb der Stadt. Was hatte sie ermutigt, sich zu regen? Was hatten sie jetzt vor? Wie konnte er sie aufhalten oder benutzen? Er wurde gut darin, Menschen zu benutzen. Manchmal machte er sich selbst krank. Da waren Sevanna und die Shaido. Rhuarc hatte bereits Kundschafter auf den Weg nach Brudermörders Dolch geschickt, aber sie würden bestenfalls herausfinden, wo und wann. Die Weisen Frauen, die herausfinden konnten warum, würden es nicht tun. Es gab in Verbindung mit Sevanna eine Menge offene Fragen. Elayne und Aviendha. Nein, an sie wollte er nicht denken. Keine Gedanken an sie. Keine. Perrin und Faile. Eine leidenschaftliche Frau, dem Namen und dem Wesen nach ein Falke. Hatte sie sich Colavaere wirklich nur angeschlossen, um den Beweis zu erbringen?
Sie würde Perrin beschützen wollen, wenn der Wiedergeborene Drache fiel. Und sie würde ihn vor dem Wiedergeborenen Drachen beschützen, wenn sie es für nötig hielte. Ihre Treue galt Perrin, aber sie allein würde entscheiden, wie sie ihre Treue einhielt. Faile war keine Frau, die sanftmütig tat, was ihr Ehemann sagte, wenn es eine solche Frau überhaupt gab. Goldene Augen, starre Herausforderung zum Trotz. Warum reagierte Perrin in Bezug auf die Aes Sedai so heftig? Er war mit Kiruna und ihren Begleitern lange zu den Brunnen von Dumai unterwegs gewesen. Konnten Aes Sedai wirklich mit ihm tun, was jedermann befürchtete? Aes Sedai. Er schüttelte den Kopf, ohne sich dessen bewusst zu sein. Niemals wieder. Niemals! Zu vertrauen bedeutete, verraten zu werden. Vertrauen bedeutete Schmerz.
Er bemühte sich, diesen Gedanken zu vertreiben. Er kam Raserei ein wenig zu nahe. Niemand konnte leben, ohne irgendwem zu vertrauen. Nur nicht Aes Sedai. Mat, Perrin. Wenn er ihnen nicht vertrauen konnte … Min. Er hätte niemals erwogen, Min nicht zu vertrauen.
Er wünschte, sie wäre bei ihm anstatt in ihrem Bett. All jene Tage als Gefangene, Tage der Angst – mehr um ihn als um sich selbst, wenn er sie ausreichend gut kannte –, Tage der Verhöre durch Galina und Misshandlungen, wenn ihre Antworten nicht gefielen … Er knirschte unbewusst mit den Zähnen. Das alles, und obendrein noch die Anstrengung, Geheilt zu werden, hatten sie letztendlich erschöpft. Sie war an seiner Seite geblieben, bis ihre Knie nachgaben und er sie in ihren Schlafraum tragen musste, wobei sie auf dem ganzen Weg schläfrig protestierte, dass er sie in seiner Nähe brauche. Min war nicht hier, keine tröstliche Gegenwart, die ihn zum Lachen brachte, die ihn den Wiedergeborenen Drachen vergessen ließ. Nur der Kampf mit Saidin , und der Wirbelwind seiner Gedanken …
Sie müssen beseitigt werden. Du musst es tun. Erinnerst du dich nicht an das letzte Mal? Das Geschehen bei den Brunnen war erbärmlich. Städte, die ganz vom Antlitz der Erde getilgt wurden, bedeuteten nichts. Wir haben die Welt zerstört! HÖRST DU MICH? SIE MÜSSEN GETÖTET WERDEN, VON DER OBERFLÄCHE VERSCHWINDEN …
Diese in seinem Kopf schreiende Stimme gehörte nicht ihm. Nicht Rand al’Thor, sondern Lews Therin Telamon, der seit über dreitausend Jahren tot war. Und er sprach in Rand al’Thors Kopf. Die Macht zog ihn häufig aus seinem Versteck in die Schatten von Rands Geist. Rand fragte sich bisweilen, wie das sein konnte. Er war der wiedergeborene Lews Therin, der Wiedergeborene Drache, das konnte er nicht leugnen aber jedermann war ein
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