Das Rad der Zeit 8. Das Original: Der Weg der Klingen (German Edition)
Schwester würde es vergessen, wenn sie eher unzeremoniell aus den Gängen in der Nähe der Quartiere anderer Ajahs vertrieben wurde, und noch viel weniger das, was manchmal noch damit einherging. Gerüchte besagten, dass mehr als nur die Würde einer Sitzenden – einer Sitzenden! – durch die Roten verletzt wurde, wenn auch nicht erwähnt wurde, um wen es sich handelte. Schade, dass der Saal Elaidas wahnsinnigen Erlass nicht aufhalten konnte, aber nachdem sich zunächst eine Ajah und dann eine weitere auf die neuen Vorrechte gestürzt hatten, waren nur wenige Sitzende bereit, sie jetzt wieder aufzugeben, und das Ergebnis war eine beinahe in zwei bewaffnete Lager gespaltene Burg. Seaine hatte einst gedacht, die Luft in der Burg sei wie ein zitternder, brodelnder Dunst aus Misstrauen und Verleumdung. Jetzt war sie ein zitternder, brodelnder Dunst mit beißender Schärfe.
Sie schnalzte verärgert mit der Zunge und richtete ihre mit weißen Fransen versehene Stola, während Saerin verschwand. Es gab keinen Grund zusammenzuzucken, nur weil eine Altaranerin finster dreinblickte – selbst Saerin würde nicht weitergehen –, und es war noch unvernünftiger, sich über etwas zu sorgen, was sie nicht ändern konnte, wenn sie eine Aufgabe hatte.
Und dann, nach all ihrer Sucherei an diesem Morgen, tat sie nur einen einzigen weiteren Schritt und sah ihre gesuchte Beute auf sich zukommen. Zerah Dacan war ein schlankes, schwarzhaariges Mädchen mit stolzer, angemessen selbstbewusster Haltung und allem äußeren Anschein nach von den in diesen Tagen die Burg durchströmenden Spannungen unberührt. Nun, sie war eigentlich kein Mädchen mehr, aber Seaine war sich sicher, dass sie ihre mit weißen Fransen versehene Stola noch keine fünfzig Jahre trug. Sie war jedenfalls eher unerfahren, was hilfreich sein könnte.
Zerah machte keinerlei Anstalten, einer Sitzenden ihrer eigenen Ajah aus dem Weg gehen zu wollen und beugte respektvoll den Kopf, als Seaine neben sie trat. Die Ärmel ihres weißen Gewandes wiesen kunstvolle goldene Stickerei auf, die auch ein breites Band um ihren Rock säumte. Es war ungewöhnlich viel Stickerei für die Weiße Ajah. »Sitzende«, murmelte sie. Zeigten ihre blauen Augen eine Spur von Besorgnis?
»Ich brauche Euch für etwas«, sagte Seaine ruhiger, als ihr zumute war. Höchstwahrscheinlich spiegelten sich ihre eigenen Empfindungen in Zerahs großen Augen wider. »Kommt mit mir.« Es stand nichts zu befürchten, nicht im Herzen der Weißen Burg, aber es war überraschend mühsam, die Hände unverkrampft in Hüfthöhe zu falten.
Wie erwartet – und erhofft – ging Zerah fügsam mit. Sie schritt recht anmutig neben Seaine aus, als sie breite Marmortreppen und gewundene Rampen hinabstiegen, und runzelte nur leicht die Stirn, als Seaine eine Tür im Parterre zu schmalen Stufen öffnete, die sich spiralförmig in die Dunkelheit hinabwanden.
»Nach Euch, Schwester«, sagte Seaine und ließ durch das Lenken der Macht eine kleine Lichtkugel erscheinen. Dem Protokoll nach hätte sie der anderen Frau vorangehen sollen, aber sie konnte sich nicht dazu überwinden.
Zerah zögerte nicht, hinabzusteigen, schließlich hatte sie von einer Weißen Sitzenden nichts zu befürchten. Seaine würde ihr sagen, was sie von ihr wollte, wenn die Zeit reif war, und es würde nichts sein, was sie nicht tun könnte. Unverständlicherweise rebellierte Seaines Magen. Licht, sie hielt Saidar fest und die andere Frau nicht. Zerah war in jedem Fall schwächer. Es stand nichts zu befürchten, was ihren unruhigen Magen allerdings nicht tröstete.
Sie stiegen beständig abwärts an Türen vorbei, die zu immer tiefer liegenden Kellergeschossen führten, bis sie das unterste Geschoss erreichten, das noch unter der Ebene lag, wo die Aufgenommenen geprüft wurden. Der dunkle Gang wurde nur von Seaines kleinem Licht beleuchtet. Sie hielten ihre Röcke gerafft, aber ihre Schuhe wirbelten kleine Staubwolken auf, auch wenn sie vorsichtig ausschritten. Einfache Holztüren säumten die glatten Felswände, viele davon mit vollkommen verrosteten Scharnieren und Schlössern.
»Sitzende«, fragte Zerah schließlich mit einem zweifelnden Unterton, »was wollt Ihr hier unten? Ich glaube nicht, dass in den letzten Jahren jemand so weit herabgestiegen ist.«
Seaine war sich sicher, dass ihr eigener Besuch vor wenigen Tagen hier unten der erste seit mindestens einem Jahrhundert gewesen war. Das war einer der Gründe, warum sie und Pevara
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