Das Rad der Zeit 8. Das Original: Der Weg der Klingen (German Edition)
heraus. »Nein, ich gehöre nicht der Schwarzen Ajah an. Und jetzt nehmt diesen Eid von mir! Befreit mich!«
Seaine sank betrübt zusammen und stützte die Ellbogen auf den Tisch. Sie hatte gewiss nicht gewollt, dass Zerah gestanden hätte, aber sie war sich sicher gewesen, dass sie nach so vielen Wochen des Suchens eine Lügnerin gefunden hätte. Wie viele Wochen Suche lagen noch vor ihnen? Und wie lange müsste sie noch vom Aufwachen bis zum Schlafengehen über ihre Schulter sehen? Wenn sie überhaupt schlafen konnte.
Pevara richtete anklagend einen Finger auf die Frau. »Ihr habt einigen Leuten erzählt, Ihr kämt aus dem Norden.«
Zerahs Augen weiteten sich erneut. »Das stimmt«, sagte sie zögernd. »Ich bin das Ufer des Erinin nach Jualdhe hinabgeritten. Jetzt befreit mich von diesem Eid!«
Seaine sah sie stirnrunzelnd an. »An Eurer Satteldecke wurden Golddornsamen und rote Kletten gefunden, Zerah. Golddorn und rote Kletten sind hundert Meilen südlich von Tar Valon zu finden.«
Zerah sprang auf, und Pevara fauchte: »Setzt Euch!«
Die Frau ließ sich geräuschvoll auf die Bank fallen, aber sie zuckte nicht einmal zusammen. Sie zitterte. Nein, sie bebte. Sie hatte den Mund fest geschlossen, sonst hätten ihre Zähne, wie Seaine sicher annahm, gewiss geklappert. Licht, die Frage des Nordens oder Südens ängstigte sie stärker als die Anschuldigung, eine Schattenfreundin zu sein. »Woher seid Ihr aufgebrochen?«, fragte Seaine zögernd. »Und warum …?« Sie hatte fragen wollen, warum die Frau einen Umweg gemacht hatte – was sie eindeutig getan hatte –, nur um zu verbergen, aus welcher Richtung sie gekommen war, aber die Antworten brachen bereits aus Zerah hervor.
»Aus Salidar«, wimmerte sie. Es gab keine andere Bezeichnung dafür. Noch immer den Eidstab umklammernd, wand sie sich auf der Bank. Tränen liefen aus ihren Augen, die stark geweitet und auf Pevara fixiert waren. Worte strömten hervor, obwohl ihre Zähne jetzt wahrhaftig klapperten. »Ich b-bin g-gekommen, um s-sicherzugehen, dass alle Schwestern hier über die R-Roten und Logain Bescheid wissen, damit sie Elaida a-absetzen und die B-Burg wieder heil werden kann.« Sie brach mit einem Wehklagen zusammen, während sie die Rote Sitzende mit einem zum Schrei geöffneten Mund anstarrte.
»Nun gut«, sagte Pevara und wiederholte dann grimmiger: »Nun gut!« Ihr Gesicht wirkte vollkommen gefasst, und das Glitzern in ihren dunklen Augen spiegelte nichts von dem Übermut wider, an den Seaine sich von der Zeit als Novizin und Aufgenommene her erinnerte. »Also seid Ihr die Quelle dieses … Gerüchts. Ihr werdet vor den Saal treten und die Lüge enthüllen! Gesteht die Lüge ein, Mädchen!«
Waren Zerahs Augen zuvor schon geweitet, so traten sie jetzt regelrecht hervor. Der Stab entfiel ihren Händen und rollte über die Tischplatte, während sie ihre Kehle umklammerte. Plötzlich drang ein erstickter Laut aus ihrem Mund. Pevara starrte sie entsetzt an, aber Seaine verstand jäh.
»Bei der Gnade des Lichts!«, keuchte sie. »Ihr müsst nicht lügen, Zerah!« Zerah bewegte die Beine unter dem Tisch, als versuche sie aufzustehen, könne jedoch die Füße nicht unter Kontrolle bekommen. »Sagt es ihr, Pevara. Sie glaubt, es sei wahr! Ihr habt ihr befohlen, die Wahrheit zu sagen und zu lügen. Seht mich nicht so an! Sie glaubt es!« Eine Spur Blau erschien auf Zerahs Lippen. Ihre Lider flatterten. Seaine rang um Ruhe. »Pevara, Ihr habt den Befehl gegeben, also müsst auch Ihr ihn wieder zurücknehmen, sonst wird sie vor unseren Augen ersticken.«
»Sie ist eine Aufständische .« Pevara belegte dieses Wort mit der größtmöglichen Geringschätzung. Aber dann seufzte sie. »Sie steht jedoch noch nicht vor Gericht. Ihr müsst nicht … lügen … Mädchen.« Zerah stürzte vornüber, lag mit einer auf die Tischplatte gepressten Wange da und rang wimmernd nach Luft.
Seaine schüttelte verwundert den Kopf. Sie hatten die Möglichkeit widerstreitender Eide nicht bedacht. Was wäre, wenn die Schwarze Ajah den Eid gegen das Lügen nicht einfach fortnahm, sondern durch einen ihrer eigenen Eide ersetzte? Was wäre, wenn sie alle drei durch eigene Eide ersetzten? Sie und Pevara müssten sehr vorsichtig vorgehen, wenn sie eine Schwarze Schwester fänden, sonst würde sie ihnen tot zusammenbrechen, noch bevor sie wussten, worum es sich bei dem Konflikt handelte. Vielleicht sollte zunächst eine Entsagung von allen Drei Eiden erfolgen – es gab keine
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