Das Rad der Zeit 8. Das Original: Der Weg der Klingen (German Edition)
tippte gegen zu einem belustigten Lächeln verzogene Silberlippen. »Wäre es besser, du würdest die Stola der Amyrlin tragen, Kind?«, fragte Mesaana schließlich. »Ein geringer Ehrgeiz, der zu dir passen würde, aber alles zu seiner Zeit. Im Moment habe ich eine andere kleine Aufgabe für dich. Trotz all der Mauern, die zwischen den Ajahs entstanden sind, scheinen ihre Anführer sich erstaunlich regelmäßig zu treffen. Zufällig, wie sie vorgeben. Zumindest alle außer den Roten. Schade, dass Galina umkam, sonst könnte sie dir sagen, was sie vorhaben. Es ist wahrscheinlich nichts Wichtiges, aber du wirst herausbekommen, warum sie einander erst öffentlich angreifen und dann heimlich miteinander flüstern.«
»Ich höre und ich gehorche, Große Herrin«, erwiderte Alviarin prompt, dankbar, dass Mesaana es für unwichtig erachtete. Das große ›Geheimnis‹, wer den Ajahs vorstand, war für sie kein Geheimnis – jede Schwarze Schwester war gefordert, dem Obersten Rat jedes Flüstern in ihrer Ajah weiterzugeben –, aber unter ihnen war nur Galina eine Schwarze gewesen. Das bedeutete, dass man die Schwarzen Schwestern unter den Sitzenden befragen musste. Das erforderte Zeit und bot nicht die geringste Gewähr für einen Erfolg. Bis auf Ferane Neheran und Suana Dragand, die mit Sicherheit Vorsitzende ihrer Ajahs waren, schienen Sitzende nur selten zu wissen, was der Vorstand ihrer Ajah dachte, bis man es ihnen sagte. »Ich werde Euch Nachricht geben, sobald ich etwas erfahre, Große Herrin.«
Aber sie behielt eine Besonderheit für sich. Ob unwichtig oder nicht – Mesaana wusste nicht alles, was in der Weißen Burg geschah. Aber Alviarin würde für eine Schwester in bronzefarbenen Röcken mit einem Saum mit schwarzen Schneckenverzierungen die Augen offen halten. Mesaana verbarg sich in der Burg, und Wissen war Macht.
KAPITEL 26
Ein kleiner Obolus
S eaine durchschritt die Gänge der Burg, und mit jeder Biegung nahm das Gefühl der Verwirrung zu. Die Weiße Burg war zugegebenermaßen sehr groß, aber sie lief schon stundenlang durch die Gänge. Sie sehnte sich in ihre eigenen Räume. Trotz der geschlossenen Fensterflügel zog es in den breiten, mit Wandteppichen behangenen Korridoren, sodass die Kandelaber flackerten. Der kalte Windhauch war schwer zu ignorieren, wenn er unter ihre Röcke wehte. Ihre Räume waren warm und behaglich – und sicher.
Dienerinnen vollführten Hofknickse, und Diener verbeugten sich, wenn sie vorüberging. Doch sie wurden nur halbwegs bemerkt. Die meisten Schwestern befanden sich in den Quartieren ihrer Ajahs, und jene wenigen, die sich außerhalb davon aufhielten, taten dies mit wachsamem Stolz, häufig zu zweit, stets zwei derselben Ajah, die Stolen über die Arme gebreitet und wie Banner dargeboten. Seaine lächelte und nickte Talene erfreut zu, aber die statuenhafte, goldhaarige Sitzende erwiderte ihren Blick hart, eine aus Eis gehauene Schönheit, und schritt dann davon, während sie an ihrer mit grünen Fransen versehenen Stola zupfte.
Es war jetzt zu spät, sich Talene mit dem Anliegen zu nähern, dass sie sich an ihrer Suche beteiligen sollte, selbst wenn Pevara einverstanden gewesen wäre. Pevara riet zu äußerster Vorsicht, und um die Wahrheit zu sagen, war Seaine gerne bereit, unter den gegebenen Umständen zuzuhören. Nur war Talene eine Freundin – oder vielmehr eine Freundin gewesen.
Aber Talene war nicht die Schlimmste. Mehrere gewöhnliche Schwestern zeigten ihre Verachtung offen. Einer Sitzenden gegenüber! Natürlich war darunter keine Weiße, aber das sollte keinen Unterschied machen. Gleichgültig, was in der Burg vor sich ging, sollte der Anstand gewahrt bleiben. Juilaine Madome, eine große, anziehende Frau mit kurz geschnittenem schwarzem Haar, die erst seit weniger als einem Jahr einen Sitz für die Braune Ajah innehatte, fegte ohne ein Wort der Entschuldigung an ihr vorbei und ging mit ihrem typischen unweiblichen Schritt davon. Saerin Asnobar, eine weitere Braune Sitzende, sah Seaine finster an und betastete den gebogenen Dolch, den sie stets in ihrem Gürtel trug, bevor sie in einem Seitengang verschwand. Saerin war Altaranerin, und die weißen Strähnen an ihren dunklen Schläfen betonten eine schmale, vom Alter verblasste weiße Narbe auf einer olivfarbenen Wange. Nur ein Behüter konnte ebenso finster dreinblicken wie sie.
Vielleicht war all dies zu erwarten gewesen. Es hatte in letzter Zeit einige unglückselige Vorfälle gegeben, und keine
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