Das Rad der Zeit 9. Das Original: In den Klauen des Winters (German Edition)
Menschen, Tieren und Wagen schienen die Straßen zu sein, aber er kam dennoch ein ordentliches Stück voran. Die Buden auf den Kanalbrücken hatten ihre Läden geschlossen, die Straßenhändler hatten ihre Decken vom Boden aufgehoben und die Jongleure und Akrobaten, die für gewöhnlich an jeder Straßenkreuzung ihr Handwerk ausübten, hätten keinen Platz für ihre Kunst gehabt, wenn auch sie nicht gegangen wären. Es waren zu viele Seanchaner da, einfach zu viele, und vermutlich war einer von fünfen ein Soldat, wie man eindeutig an dem harten Blick ihrer Augen und ihrer Körperhaltung erkennen konnte, die sich so sehr von jener der Bauern und Handwerker unterschied, selbst wenn sie keine Rüstung trugen. Gelegentlich kam eine Sul’dam mit ihrer Damane die Straße entlang und man ließ ihnen einen gehörigen Freiraum, der selbst noch größer war als der für die Soldaten. Das geschah nicht aus Furcht, zumindest nicht bei den Seanchanern. Man verneigte sich respektvoll vor den Frauen, deren blaue Gewänder rote Rechtecke mit Blitzsymbolen aufwiesen, und lächelte voller Anerkennung, wenn die Paare vorbeigingen. Beslan hatte den Verstand verloren. Keiner würde die Seanchaner jemals wieder vertreiben, abgesehen vielleicht von einem Heer aus Asha’man, so wie jenes, das Gerüchten zufolge vor einer Woche im Osten gegen sie angetreten war. Oder jemand, der mit den Geheimnissen der Feuerwerker bewaffnet war. Was beim Licht konnte Aludra mit einem Glockengießer wollen?
Er gab sich Mühe, nicht in Sichtweite der Docks zu gelangen. Diese Lektion hatte er gelernt. Eigentlich suchte er ein Würfelspiel, und zwar eines, das bis spät in die Nacht andauern würde. Vorzugsweise so spät, dass Tylin bereits schlief, wenn er in den Palast zurückkehrte. Sie hatte ihm die Würfel weggenommen und behauptet, es würde ihr nicht gefallen, wenn er spielte, allerdings hatte sie es getan, nachdem er sie, als er noch ans Lager gefesselt gewesen war, zu einem Liebespfand als Einsatz überredet hatte. Würfel ließen sich überall finden, und bei seinem Glück war es sowieso immer besser, die Würfel der anderen Männer zu benutzen. Unglücklicherweise hatte er nach der Entdeckung, dass sie nicht im Traum daran dachte, das Liebespfand, ihn gehen zu lassen, auch einzulösen – die Frau hatte tatsächlich so getan, als wüsste sie überhaupt nicht, wovon er da sprach! Folglich hatte er ihr etwas von ihrer eigenen Medizin zu kosten gegeben. Ein schwerer Fehler, so viel Spaß es seinerzeit auch gemacht hatte. Nachdem die Liebespfänder alle eingelöst worden waren, war sie doppelt so schlimm wie vorher.
Die Schenken und Schenkräume der Gasthäuser, die er betrat, waren allerdings genauso voll wie die Straßen; der Platz reichte kaum aus, einen Becher zu heben, geschweige denn zum Würfeln. Sie waren voller lachender und singender Seanchaner und finster dreinblickender Ebou Dari, welche die Seanchaner mit mürrischem Schweigen betrachteten. Er befragte die Wirte und Schenkmägde trotzdem, ob einer einen freien Verschlag hatte, den er vermieten würde, aber sie alle schüttelten bloß den Kopf. Eigentlich hatte er auch nichts anderes erwartet. Schon vor den Neuankömmlingen war nichts frei gewesen. Er fing an, in die gleiche düstere Stimmung wie die ausländischen Kaufleute zu verfallen, die in ihren Wein starrten und sich fragten, wie sie ohne Pferde wohl ihre Waren aus der Stadt herausbekommen sollten.
Er hatte Gold, um Luca jeden gewünschten Preis zu bezahlen und noch mehr, aber es befand sich alles in einer Truhe im Tarasin-Palast, und er würde nicht den Versuch wagen, genug auf einmal mitzunehmen, nicht nachdem ihn die Palastdiener wie einen auf der Jagd erbeuteten Hirsch von den Docks zurückgetragen hatten. Damals hatte er bloß mit Schiffskapitänen gesprochen; falls Tylin erfuhr – und sie würde es erfahren –, dass er versuchte, den Palast mit mehr Gold zu verlassen, als er für einen Würfelabend brauchte … O nein! Er musste ein Zimmer haben, eine Kammer von der Größe eines Schrankes auf dem Dachboden irgendeines Gasthauses, egal was, wo er im Laufe der Zeit immer wieder ein paar Münzen verstecken konnte, oder er musste Glück im Spiel haben, eines von beiden. Aber ob Glück oder nicht, er kam schließlich zu dem Schluss, dass er an diesem Tag keines von beiden finden würde. Und diese verdammten Würfel rasselten noch immer in seinem Kopf herum.
Er blieb nie lange an einem Ort und das nicht nur, weil weder ein
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