Das Rad der Zeit 9. Das Original: In den Klauen des Winters (German Edition)
nach Thom hereingeplatzt; zumindest hatte er das behauptet. Unglücklicherweise hatte er zuvor an der Tür gelauscht und genug gehört, um nicht mit irgendeiner Geschichte abgespeist werden zu können. Und was noch viel schlimmer war, er wollte mitmachen. Er sagte ihnen sogar, auf welche Art und Weise.
»Ein Aufstand«, sagte er, als er auf dem dreibeinigen Hocker zwischen den beiden schmalen Betten saß. Ein Waschtisch mit einem angestoßenen weißen Krug und Schüssel ohne Spiegel vervollständigte das Mobiliar des Raumes und raubte noch den letzten Rest Platz. Juilin saß mit unleserlichem Gesicht in Hemdsärmeln auf der Kante des einen Bettes und Thom lag ausgestreckt auf dem anderen und studierte stirnrunzelnd seine Knöchel. Also musste sich Mat gegen die Tür lehnen, damit niemand mehr hereinplatzen konnte. Er wusste nicht, ob er lachen oder weinen sollte. Offensichtlich hatte Thom die ganze Zeit über diesen Wahnsinn Bescheid gewusst; das war es also gewesen, was er hatte abkühlen wollen. »Das Volk wird sich erheben, wenn ich das Zeichen gebe«, fuhr Beslan fort. »Meine Freunde haben in der ganzen Stadt mit Männern gesprochen. Sie sind zum Kampf bereit!«
Seufzend verlagerte Mat sein Gewicht auf das gesunde Bein. Vermutlich würden sich Beslan und seine Freunde allein erheben müssen, wenn er das Zeichen gab. Die meisten Leute redeten lieber übers Kämpfen, als es tatsächlich zu tun, vor allem, wenn es gegen Soldaten ging. »Beslan, in den Geschichten fahrender Sänger besiegen Stallburschen mit Heugabeln und Bäcker mit Pflastersteinen die Heere, weil sie frei sein wollen.« Thom schnaubte so verächtlich, dass sein langer weißer Schnurrbart in Bewegung geriet. Mat ignorierte ihn. »Im wahren Leben werden die Stallburschen und Bäcker getötet. Ich erkenne gute Soldaten, wenn ich sie sehe, und die Seanchaner sind sehr gut.«
»Wenn wir die Damane zusammen mit den Aes Sedai befreien, werden sie an unserer Seite kämpfen!«, beharrte Beslan.
»Oben auf dem Dachboden müssen zweihundert oder sogar noch mehr Damane sein, Beslan, die meisten von ihnen Seanchanerinnen. Befreit sie und vermutlich wird jede Einzelne von ihnen losrennen, um eine Sul’dam zu finden. Licht, wir könnten nicht mal den Frauen vertrauen, die nicht aus Seanchan kommen!« Mat hielt eine Hand hoch, um Beslans Protest im Keim zu ersticken. »Wir haben keine Möglichkeit herauszufinden, wem wir vertrauen können und wem nicht, dazu fehlt uns die Zeit. Und selbst wenn wir die hätten, müssten wir den Rest töten. Ich bin nicht dazu bereit, eine Frau zu töten, deren einziges Verbrechen darin besteht, an der Leine geführt zu werden. Seid Ihr es?« Beslan schaute weg, aber sein Kinn war entschlossen vorgeschoben. Er gab nicht auf.
»Ob wir die Damane befreien oder nicht«, fuhr Mat fort, »wenn sich das Volk nun erhebt, werden die Seanchaner Ebou Dar in einen Schlachthof verwandeln. Sie schlagen Rebellionen grausam nieder, Beslan. Sehr grausam! Wir könnten jede Damane auf dem Dachboden umbringen und sie würden Ersatz aus den Lagern holen. Eure Mutter wird zurückkommen und innerhalb der Stadtmauern nur noch Trümmer und davor Euren Kopf auf einem Spieß vorfinden. Und ihrer wird kurz darauf danebenstecken. Ihr glaubt doch wohl nicht, sie würden ihr abnehmen, dass sie keine Ahnung hatte, was ihr eigener Sohn plante, oder?« Beim Licht, wusste sie etwa Bescheid? Die Frau war mutig genug, um es zu versuchen. Er glaubte zwar nicht, dass sie dumm genug dazu war, aber …
»Sie sagt, wir sind Mäuse«, sagte Beslan erbittert. »Wenn Wolfshunde vorbeistreifen, sind die Mäuse still oder werden gefressen«, zitierte er. »Es gefällt mir nicht, eine Maus zu sein, Mat.«
Mat bekam wieder leichter Luft. »Besser eine lebende Maus zu sein als eine tote, Beslan.« Was zwar nicht unbedingt die diplomatischste Art war, es auszudrücken – Beslan verzog auch das Gesicht –, aber das war die Wahrheit.
Mat ermutigte Beslan, auch weiterhin zu den Treffen zu kommen, und wenn auch nur, um ihn unter Kontrolle zu haben, aber er ließ sich nur selten sehen. Thom fiel es zu, die Leidenschaft des Mannes abzukühlen, so gut er konnte. Er schaffte es lediglich, Beslan das Versprechen abzuringen, den Aufstand frühestens einen Monat nach ihrem Aufbruch anzuführen, damit sie weit genug entfernt waren. Und wenn das auch nicht zufriedenstellend war, so war es doch zumindest eine abgemachte Sache. Alles andere schien zwei Schritte voranzugehen, um dann
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