Das Rad der Zeit 9. Das Original: In den Klauen des Winters (German Edition)
Frage?« Der Blick der Braunen schärfte sich wieder, und sie sah Toveine einen langen Augenblick an.
»Bald wird sich die Aufregung gelegt haben«, sagte sie schließlich. »Was geschieht dann? Die Autorität, die Elaida Euch verliehen hat, ist dahin, die Expedition ist zu Ende. Die erste Frage lautet, stehen wir einundfünfzig Schwestern geeint da, oder trennen wir uns wieder in Braune und Rote, Gelbe und Grüne und Graue? Und die arme Ayako …, sie muss es bedauern, dass die Weißen darauf bestanden haben, dass eine ihrer Schwestern dabei ist. Lemai und Desandre haben von uns den höchsten Rang.« Gabrelle schwenkte rügend den Löffel. »Wir haben nur eine Chance, alles zusammenzuhalten; Ihr und ich, wir müssen uns öffentlich Desandres Autorität unterwerfen. Wir müssen das tun! Das wird auf jeden Fall den Anfang machen, das hoffe ich zumindest. Wenn es uns nur gelingt, ein paar der anderen zu überzeugen, wird das ein Anfang sein.«
Toveine holte tief Luft und tat so, als würde sie in die Leere starren und nachdenken. Sich einer Schwester zu unterwerfen, die einen höheren Rang als sie einnahm, war für sich genommen keine Härte. Die Ajahs hatten immer ihre Geheimnisse gehabt und manchmal ein bisschen gegeneinander intrigiert, aber der nun ausgebrochene offene Zwist in der Burg erschreckte sie. Darüber hinaus hatte sie gelernt, wie sie sich vor Herrin Doweel demütig geben musste. Ob der Frau die Armut und die Arbeit auf einem Bauernhof für eine noch rücksichtslosere Herrin, als sie es gewesen war, wohl gefiel?
»Ich kann mich dazu überwinden«, sagte sie schließlich. »Wir sollten einen Plan haben, den wir Desandre und Lemai präsentieren können, wenn wir sie überzeugen wollen.« Sie hatte bereits einen geschmiedet, zumindest einen Anfang, auch wenn er nicht für die Augen anderer bestimmt gewesen war. »Oh, Gabrelle, das Wasser kocht.«
Mit einem plötzlichen Lächeln stand die närrische Frau auf und eilte zum Herd. Wenn man so darüber nachdachte, waren die Braunen schon immer besser im Lesen von Büchern als von Menschen gewesen. Bevor sie Logain und Taim und den Rest von ihnen vernichteten, würden sie Toveine Gazal helfen, Elaida zu stürzen.
Die große Stadt Cairhien war eine riesige, sich auftürmende Masse, die von gewaltigen Mauern umschlossen wurde, unmittelbar am Fluss Alguenya. Der Himmel war klar und wolkenlos, aber es wehte ein kalter Wind, und die Sonne fiel auf schneebedeckte Dächer und funkelte auf Eiszapfen, die keinerlei Anstalten machten zu schmelzen. Der Alguenya war nicht zugefroren, aber kleine, gezackte Eisschollen von weiter flussaufwärts trieben in der Strömung und prallten gegen die Rümpfe der Schiffe, die an den Docks auf das Entladen warteten. Winter, Krieg und der Wiedergeborene Drache sorgten dafür, dass der Handel zurückging, aber er hörte nie ganz auf, nicht bevor Nationen endgültig am Boden waren. Die Straßen, welche die terassenförmigen Hügel der Stadt durchschnitten, waren trotz der Kälte voller Menschen, Wagen und Karren. »Die Stadt«, wie man sie hier nannte.
Eine gewaltige Menschenmenge drängte sich vor dem Sonnenpalast mit seinen rechteckigen Türmen um die lange Auffahrt, die am Tor endete, und starrte zu ihm hinauf. Kaufleute in ihren warmen Wollsachen und Adlige im Samt und Seide standen Schulter an Schulter mit Tagelöhnern mit schmutzigen Gesichtern und noch schmutzigeren Flüchtlingen. Niemanden kümmerte es, neben wem er stand, und selbst die Beutelschneider vergaßen, ihrem Handwerk nachzukommen. Männer und Frauen gingen fort, oftmals kopfschüttelnd, aber andere nahmen ihren Platz ein; gelegentlich wurde ein Kind in die Höhe gehalten, damit es den zerstörten Flügel des Palasts besser sehen konnte, an dem Arbeiter die Trümmer des dritten Stockwerks wegschafften. Ganz Cairhien war erfüllt von dem Hämmern der Handwerker und den quietschenden Achsen der Wagen, den Anpreisungen der Ladenbesitzer, den Beschwerden der Kunden und dem Murmeln der Kaufleute. Die Menge vor dem Palast aber war stumm.
Eine Meile vom Palast entfernt stand Rand am Fenster der Akademie von Cairhien, wie man sie großspurig benannt hatte, und schaute durch die beschlagenen Scheiben auf den gepflasterten Stallhof in der Tiefe. Zu Artur Falkenflügels Zeit und auch davor hatte es Akademien genannte Schulen gegeben, Zentren des Lernens, in denen es nur so vor Gelehrten aus allen Ecken der bekannten Welt wimmelte. Die Selbstüberschätzung machte keinen
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