Das Rad der Zeit 9. Das Original: In den Klauen des Winters (German Edition)
und schob die Päckchen in seinen Mantel. Sein Gesicht verriet jetzt keinerlei Gefühlsregung. Dobraine war ein erfahrener Spieler im Spiel der Häuser.
Die Vorsteherin schaffte es, zugleich zufrieden und verstimmt auszusehen, und sie konzentrierte sich darauf, unnötigerweise ihr Kleid zu glätten, so wie es Frauen taten, wenn sie sich Mühe gaben, nicht das auszusprechen, was ihnen auf der Zunge lag. Sie mochte sich noch so sehr über die Träumer und Philosophen beschweren, aber sie wachte eifersüchtig über das Wohlergehen der Akademie. Sie würde keine Tränen vergießen, wenn die anderen Schulen verschwanden und ihre Gelehrten gezwungen waren, an die Akademie zu kommen. Sogar die Philosophen. Was würde sie wohl von einem ganz bestimmten Befehl in Dobraines Päckchen halten?
»Ich habe alles gefunden, was ich brauche«, sagte Min und trat leicht unter dem Gewicht dreier ausgebeulter Stofftaschen schwankend zwischen den Regalen hervor. Ihr einfacher brauner Mantel und die Hose sahen der Kleidung sehr ähnlich, die sie getragen hatte, als er sie vor so langer Zeit das erste Mal in Baerlon gesehen hatte. Aus irgendeinem Grund hatte sie sich so lange über sie beklagt, dass jeder, der sie kannte, geglaubt hatte, er hätte sie gebeten, ein Kleid anzuziehen. Aber jetzt lächelte sie erfreut und mit einer Spur Durchtriebenheit. »Ich hoffe, die Lastpferde sind noch da, wo wir sie zurückgelassen haben, oder wir werden meinem Lord Drachen einen Packsattel anpassen lassen müssen.«
Idrien keuchte voller Entsetzen, als sie hörte, wie er so angesprochen wurde, aber Dobraine zeigte ein kleines Lächeln. Er hatte Min schon zuvor in Rands Nähe erlebt.
Rand wurde sie so schnell los, wie er konnte – sie hatten so viel gesehen und gehört, wie er wollte – und gab ihnen zum Abschluss ein letztes Mal die Mahnung mit auf den Weg, dass er nie da gewesen war. Dobraine nickte, als hätte er nichts anderes erwartet. Idrien sah nachdenklich aus, als sie ging. Falls sie eine Bemerkung fallen ließ, die ein Diener oder Gelehrter aufschnappte, würde in zwei Tagen die ganze Stadt Bescheid wissen. Ihm blieb auf keinen Fall viel Zeit. Vermutlich war niemand, der es wahrnehmen konnte, nahe genug gewesen, um zu spüren, wie er ein Wegetor öffnete, aber jeder, der nach den richtigen Zeichen Ausschau hielt, würde mittlerweile wissen, dass ein Ta’veren in der Stadt war. Aber er wollte noch nicht gefunden werden.
Als sich die Tür hinter ihnen schloss, musterte er Min einen Augenblick lang, dann nahm er eine der Taschen und schob sich den Trageriemen über die Schulter.
»Nur eine?« Min stellte die anderen auf dem Boden ab, stemmte die Fäuste in die Hüften und runzelte die Stirn. »Manchmal bist du wirklich ein Schafhirte. Diese Taschen müssen jeweils einen Zentner wiegen.« Aber sie klang eher amüsiert als verärgert.
»Du hättest dir eben kleinere Bücher aussuchen sollen«, sagte er und zog Reithandschuhe an, um die Drachen zu verbergen. »Oder leichtere.« Er wandte sich dem Fenster zu, um die Ledertasche zu holen, und der Schwindel traf ihn wie eine Welle. Die Knie wurden ihm weich und er taumelte. Vor seinem inneren Auge blitzte ein leuchtendes Gesicht auf, das er nicht erkennen konnte. Mit einer bewussten Anstrengung fing er sich wieder und zwang seine Beine, nicht unter ihm nachzugeben. Und das Gefühl, umhergewirbelt zu werden, verschwand. Lews Therin keuchte heiser in den Schatten. Konnte es sein Gesicht gewesen sein?
»Wenn du glaubst, du könntest mich dazu bringen, sie den ganzen Weg zu tragen, bist du im Irrtum«, murmelte Min düster. »Ich habe schon Stallburschen gesehen, die besser geschauspielert haben. Du könntest wenigstens hinfallen.«
»Diesmal nicht.« Er wusste, was ihn erwartete, wenn er die Macht lenkte; das konnte er bis zu einem gewissen Grade kontrollieren. Normalerweise. Zumindest meistens. Diese Gleichgewichtsstörungen ohne Saidin waren neu. Vielleicht hatte er sich zu schnell umgedreht. Und vielleicht konnten Schweine tatsächlich fliegen. Er schob sich die Riemen der Ledertasche über die freie Schulter. Die Männer auf dem Hof waren noch immer fleißig bei der Arbeit. Erschufen etwas. »Min …«
Sie runzelte sofort die Stirn, verharrte einen Augenblick lang dabei, ihre roten Handschuhe überzustreifen und tippte dann mit dem Fuß auf. Bei jeder Frau ein gefährliches Zeichen, insbesondere aber bei jenen, die mit einem Messer bewaffnet waren. »Das haben wir besprochen, Rand
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