Das Rad der Zeit 9. Das Original: In den Klauen des Winters (German Edition)
pelzverbrämten Umhang flattern ließ. Die mittägliche Sonne verbreitete keine Wärme und es war schneidend kalt. Er verzog keine Miene, aber er war zu wütend, um die Kälte zu spüren. Nicht nach der Axt an seinem Gürtel zu greifen kostete Kraft. Masema – er würde diesen Mann nicht Prophet nennen, nicht in seinen Gedanken, niemals! – Masema war mit ziemlicher Sicherheit ein Narr, außerdem bestimmt wahnsinnig. Ein mächtiger Narr, mächtiger als die meisten Könige, und wahnsinnig obendrein.
Masemas Wachen füllten die Straße von einer Seite zur anderen und waren auch noch an den Ecken der nächsten Straßen postiert, dürre Burschen in gestohlenen Seidengewändern, bartlose Lehrlinge in zerrissenen Mänteln, einstmals dicke Kaufmänner in den Überresten feiner Wollanzüge. Ihr Atem war feiner Nebel, und einige von ihnen zitterten ohne Umhang, aber jeder Mann hielt einen Speer gepackt oder eine Armbrust mit aufgelegtem Pfeil. Doch keiner von ihnen machte nach außen hin einen feindseligen Eindruck. Sie wussten, dass er sich auf die Bekanntschaft mit dem Propheten berief, und sie starrten ihn an, als erwarteten sie, dass er gleich in die Luft sprang und davonflog. Oder zumindest ein paar Saltos machte. Er sog die Luft ein und filterte den Holzrauch heraus, der aus den Kaminen der Stadt quoll. Sie alle stanken nach altem Schweiß und ungewaschenen Körpern, nach Eifer und Furcht. Und nach einem seltsamen Fieber, das er zuvor nicht wahrgenommen hatte, einer Widerspiegelung von Masemas Wahnsinn. Ob feindselig oder nicht, ein Wort Masemas würde genügen, und sie würden ihn oder jeden anderen auf der Stelle töten. Auf Masemas Wort hin würden sie ganze Nationen abschlachten. Als er dieses Fieber roch, fühlte er eine Kälte, die tiefer schnitt als der Winterwind. Er war erleichterter denn je, dass er sich geweigert hatte, Faile mitzunehmen.
Die Männer, die er bei den Pferden gelassen hatte, vertrieben sich auf einem vom Schneematsch befreiten Stück Straße beim Würfelspiel die Zeit oder taten zumindest so. Er vertraute Masema nicht so weit, wie er seinen Braunen werfen konnte. Die Männer konzentrierten sich mehr auf das Haus und die Wachen als auf ihr Spiel. Die drei Behüter sprangen sofort auf die Füße, als er erschien, und ihre Blicke richteten sich auf seine Begleiter, die hinter ihm hinaustraten. Ihre Hände waren nicht weit von den Schwertgriffen entfernt. Sie wussten, was ihre Aes Sedai dort drinnen gefühlt hatten. Neald war langsamer und hob erst die Würfel und die Münzen auf. Der Asha’man war ein eitler Geck, der sich ständig den gezwirbelten Schnurrbart strich und umherstolzierte und lüstern den Frauen nachsah, aber jetzt verlagerte er das Gewicht auf die Fußballen und war so aufmerksam wie eine Katze.
»Eine Zeit lang habe ich gedacht, wir müssten uns unseren Weg nach draußen freikämpfen«, murmelte Elyas hinter Perrins Schulter. Doch der Blick seiner goldenen Augen war gelassen. Er war ein schlaksiger alter Mann mit einem breitkrempigen Hut, dessen grau werdendes Haar auf seinem Rücken bis zur Taille reichte und dessen Bart seine Brust verdeckte. An seinem Gürtel steckte ein langes Messer, kein Schwert. Aber er war Behüter gewesen. In gewisser Weise war er es noch immer.
»Das ist auch das Einzige, was geklappt hat«, bemerkte Perrin und nahm Stehers Zügel von Neald entgegen. Der Asha’man hob fragend die Brauen, aber Perrin schüttelte den Kopf, da ihn die Frage nicht interessierte. Neald gab Elyas die Zügel seines mausgrauen Wallachs, bevor er den Mund verzog und auf seinen Schecken stieg.
Perrin hatte keine Zeit für die Launen des Murandianers. Rand hatte ihn losgeschickt, um Masema zurückzuholen, und Masema kam. Aber der verdammte Kerl hielt jeden, der außer Rand die Eine Macht lenkte, für einen Gotteslästerer. Denn Rand war eigentlich kein Sterblicher; er war das fleischgewordene Licht! Also würde es kein Schnelles Reisen geben, kein schneller Sprung nach Cairhien durch ein von einem der Asha’man erschaffenes Wegetor, ganz egal, wie eindringlich Perrin versucht hatte, Masema zu überreden. Sie würden die ganzen vierhundert Meilen reiten müssen, und allein das Licht wusste, was ihnen unterwegs begegnen würde. Und sie würden ihre Identität geheim halten müssen und Masemas ebenfalls. So lauteten Rands Befehle.
»Ich sehe da nur eine Möglichkeit, wie wir das schaffen können, mein Junge«, sagte Elyas, als hätte er gerade laut gesprochen. »Eine
Weitere Kostenlose Bücher