Das Rad der Zeit 9. Das Original: In den Klauen des Winters (German Edition)
weil sie es spielten, aber Faile erkannte, auf welch unsicherem Terrain sie sich plötzlich bewegte. Ein Terrain, in dem sie versinken konnte, wenn sie einen falschen Schritt machte.
»Ich verstehe nicht, Weise Frau.« Sie wünschte, ihre Stimme hätte plötzlich nicht so heiser geklungen.
Aber vielleicht war es ja gerade diese Heiserkeit, die Therava überzeugte. Leute wie sie glaubten immer zuerst an Furcht als Antrieb, bevor sie andere Möglichkeiten in Betracht zogen. Auf jeden Fall lächelte sie. Es war kein herzliches Lächeln, nur das Verziehen schmaler Lippen, und das einzige Gefühl, das es zum Ausdruck brachte, war Zufriedenheit. »Ihr drei werdet aufpassen und zuhören, solange ihr Sevanna dient. Jeden Tag wird eine Weise Frau euch befragen, und ihr werdet jedes Wort wiederholen, das Sevanna zu wem auch immer gesagt hat. Wenn sie im Schlaf spricht, werdet ihr wiederholen, was sie gemurmelt hat. Stellt mich zufrieden und ich sorge dafür, dass man euch zurücklässt.«
Faile wollte nichts damit zu tun haben, aber eine Weigerung kam nicht infrage. Wenn sie sich weigerte, würde keine von ihnen die Nacht überleben. Da war sie sich sicher. Therava würde kein Risiko eingehen. Möglicherweise würden sie nicht einmal bis zum Einbruch der Dunkelheit überleben; der Schnee würde drei weiß gekleidete Leichen schnell verbergen, und sie bezweifelte stark, dass irgendjemand in Sichtweite auch nur protestieren würde, wenn sich Therava dazu entschied, an Ort und Stelle ein paar Hälse durchzuschneiden. Davon abgesehen konzentrierte sich sowieso jeder nur darauf, sich durch den Schnee nach vorn zu bewegen. Möglicherweise würde es nicht mal einer mitbekommen.
»Wenn sie davon erfährt …« Faile schluckte. Die Frau bat sie, einen trügerischen Klippenrand entlangzugehen. Nein, sie befahl es ihnen. Töteten Aiel Spione? Es war ihr niemals eingefallen, Chiad oder Bain danach zu fragen. »Werdet Ihr uns beschützen?«
Die Frau mit den harten Zügen ergriff Failes Kinn mit stählernen Fingern und zog sie in die Höhe, bis sie auf Zehenspitzen stand. Dann sah sie ihr in die Augen. Failes Mund wurde trocken. Dieser Blick verhieß Schmerzen. »Wenn sie davon erfährt, Gai’shain , werde ich euch persönlich kochen. Sorgt also dafür, dass sie es nicht bemerkt. Heute Abend werdet ihr in ihrem Zelt bedienen. Ihr und hundert andere, also werdet ihr nicht viele Pflichten haben, die euch von den wichtigen Dingen ablenken.«
Therava musterte sie einen Augenblick lang sorgfältig, dann nickte sie zufrieden. Sie sah drei weiche Feuchtländer, die zu schwach waren, um etwas anderes zu tun als zu gehorchen. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, ließ sie Faile los und wandte sich ab, und Augenblicke später waren sie und die anderen Weisen Frauen vom Schnee verschluckt worden.
Eine Zeit lang kämpften sich die drei Frauen schweigend voran. Faile sprach nicht mehr davon, dass eine von ihnen allein entkam, noch gab sie irgendwelche Befehle. Sie war davon überzeugt, dass sich die anderen wieder dagegen sträuben würden. Davon abgesehen, wenn sie sich jetzt fügten, würde es so aussehen, als hätte Therava es geschafft, dass sie es sich aus Angst vor ihr anders überlegt hatten. Faile kannte die anderen Frauen gut genug, um sicher zu sein, dass sie eher sterben würden als zuzugeben, dass die Frau ihnen Angst eingejagt hatte. Ihr machte Therava auf jeden Fall Angst. Und ich würde eher meine Zunge verschlucken, bevor ich es laut zugeben würde, dachte sie grimmig.
»Ich frage mich, was sie mit dem … Kochen gemeint hat«, brach Alliandre schließlich das Schweigen. »Ich habe mal gehört, dass die Weißmäntel Gefangene am Spieß über einem Feuer rösten.« Maighdin wiegte sich mit den Armen und erschauderte, und Alliandre löste eine Hand lange genug aus dem Ärmel, um ihr auf die Schulter zu klopfen. »Macht Euch keine Sorgen. Wenn Sevanna hundert Diener hat, kommen wir vermutlich gar nicht in Hörweite heran. Und selbst wenn wir etwas aufschnappen, können wir uns immer noch überlegen, was wir weitererzählen, damit es nicht zu uns zurückverfolgt werden kann.«
Maighdin lachte bitter unter ihrer weißen Kapuze. »Ihr glaubt, wir hätten wenigstens in kleinen Dingen Entscheidungsfreiheit. Das haben wir aber nicht. Ihr müsst lernen, was es bedeutet, keine Wahl zu haben. Diese Frau hat uns nicht ausgesucht, weil wir Kampfesgeist haben.« Sie spuckte das Wort beinahe aus. »Ich wette, Therava hat jedem von Sevannas
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