Das Rad der Zeit 9. Das Original: In den Klauen des Winters (German Edition)
juwelengeschmückten Gürtel zu verdecken. Faile berührte ihre Gefährtinnen und nickte in Galinas Richtung.
Als Galina bemerkte, dass man sie gesehen hatte, kam sie zu ihnen herüber und stapfte zwischen Faile und Alliandre weiter. Sie ließ noch immer jede Anmut vermissen, aber sie schien mehr an den Marsch im Schnee gewöhnt zu sein als sie. Jetzt war ihr nichts mehr von der Katzbuckelei anzumerken. Die Züge ihres runden, im Schatten der Kapuze liegenden Gesichts waren hart, ihre Augen blickten scharf. Ständig drehte sie den Kopf und sah misstrauisch in alle Richtungen, um zu sehen, wer sich in der Nähe befand. Sie sah aus wie ein Hauskätzchen, das vorgab, ein Leopard zu sein. »Ihr wisst, wer ich bin?«, verlangte sie zu wissen. Ihre Stimme war jedoch so leise, dass man sie in zehn Schritten Entfernung nicht mehr hören konnte. »Was ich bin?«
»Ihr scheint eine Aes Sedai zu sein«, sagte Faile vorsichtig. »Andererseits habt Ihr hier für eine Aes Sedai eine seltsame Stellung.« Weder Alliandre noch Maighdin schienen auch nur im Mindesten überrascht zu sein. Offensichtlich hatten sie den Großen Schlangenring gesehen, an dem Galina nervös mit dem Daumen herumspielte.
Die Wangen der Aes Sedai röteten sich und sie versuchte, es wie Wut aussehen zu lassen. »Was ich hier tue, ist für die Burg von größter Wichtigkeit, Kind«, sagte sie kalt. Ihr Gesichtsausdruck besagte, dass sie Gründe hatte, die andere nicht einmal im Ansatz begreifen konnten. Ihre Blicke huschten umher, versuchten das Schneetreiben zu durchdringen. »Ich darf nicht versagen. Das ist alles, was Ihr zu wissen braucht.«
»Wir müssen wissen, ob wir Euch vertrauen können«, sagte Alliandre beherrscht. »Ihr müsst in der Burg ausgebildet worden sein, sonst könntet Ihr nicht Heilen, aber Frauen können sich den Ring verdienen, ohne die Stola zu erringen, und ich kann nicht glauben, dass Ihr eine Aes Sedai seid.« Anscheinend war Faile nicht die Einzige, welche die Frau vor Rätsel gestellt hatte.
Galinas volle Lippen verhärteten sich, und sie hielt Alliandre die Faust vors Gesicht, um ihr zu drohen oder den Ring zu zeigen. Oder beides. »Glaubt Ihr, sie würden Euch anders behandeln, weil Ihr eine Krone tragt? Weil Ihr eine getragen habt?« Jetzt gab es keinen Zweifel mehr an ihrer Wut. Sie vergaß, nach Lauschern Ausschau zu halten, und ihr Tonfall war ätzend. Speichel sprühte, als sie sich in ihre Tirade hineinsteigerte. »Ihr werdet Sevanna Wein bringen und ihr den Rücken waschen wie alle anderen auch. Ihre Diener sind alles Adlige oder reiche Kaufleute oder Männer und Frauen, die wissen, wie man Adlige bedient. Jeden Tag lässt sie fünf von ihnen auspeitschen, um den Rest zu motivieren, sodass sie ihr alle Informationen zutragen in der Hoffnung, ihre Gunst zu gewinnen. Beim ersten Fluchtversuch werden sie Eure Fußsohlen so lange mit Ruten schlagen, bis Ihr nicht mehr gehen könnt, und Euch danach so verdreht wie eine Schmiedearbeit an einem Wagen aufhängen, bis es wieder geht. Das zweite Mal wird schlimmer sein, und das dritte dann noch schlimmer. Es gibt da einen Burschen, der gehörte zu den Weißmänteln. Er hat neun Fluchtversuche unternommen. Ein harter Mann, aber als sie ihn das letzte Mal zurückholten, bettelte und schluchzte er, bevor sie überhaupt anfingen, ihn für die Bestrafung auszuziehen.«
Alliandre nahm die Ansprache nicht gut auf. Sie blies sich auf und schaute indigniert und Maighdin knurrte: »Haben sie das mit Euch gemacht? Ob Ihr nun eine Aes Sedai oder eine Aufgenommene seid, Ihr seid eine Schande für die Burg!«
»Halt den Mund, wenn Höhergestellte reden!«, fauchte Galina.
Licht, wenn das so weiterging, würden sie sich gleich alle anbrüllen. »Wenn Ihr uns bei der Flucht helfen wollt, dann sagt es«, wandte sich Faile an die in Seide gekleidete Aes Sedai. Sie bezweifelte nicht, dass die Frau eine war. Nur alles andere. »Wenn nicht, was wollt Ihr dann von uns?«
Vor ihnen tauchte ein Wagen aus dem Schnee auf, der dort, wo sich einer der Schlitten gelöst hatte, schräg stand. Angeleitet von einem Shaido mit den Armen und Schultern eines Schmieds brachten die Gai’shain einen Hebel in Stellung, um den Wagen so weit anzuheben, dass man den Schlitten wieder an Ort und Stelle festzurren konnte. Faile und die anderen gingen schweigend weiter.
»Alliandre, ist das wirklich Eure Lehnsherrin?«, wollte Galina wissen, sobald sie außer Hörweite der um den Wagen versammelten Männer waren.
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