Das Rad der Zeit 9. Das Original: In den Klauen des Winters (German Edition)
sammeln. Chiad, die Galinas Hände auf dem Kopf hatte, sprang auf die Füße; sie fuchtelte mit den Armen herum und stieß keuchend den Atem aus. Die gelbe Schwellung in ihrem Gesicht verschwand, noch während Faile zusah. Als Galina sich zu Bain begab, brach die Tochter des Speers wie von einer Axt getroffen zusammen, obwohl sie sich bereits im nächsten Augenblick wieder regte.
Faile konzentrierte sich auf den Tee und auf rasendes Nachdenken. Das Gold an Galinas Finger war ein Schlangenring. Wäre das Heilen nicht gewesen, hätte sie ihn bloß für ein seltsames Geschenk von demjenigen gehalten, der dieser Frau all den Schmuck gegeben hatte. Galina war eine Aes Sedai. Sie musste es sein. Aber was tat eine Aes Sedai hier und dann auch noch im Gewand einer Gai’shain? Ganz zu schweigen davon, dass sie anscheinend dazu bereit war, Sevanna das Handgelenk zu lecken und Therava die Füße zu küssen! Eine Aes Sedai!
Galina stand nun über der schlaff daliegenden Arrela, der Letzten in der Reihe, keuchte etwas von der Anstrengung, so viele so schnell Geheilt zu haben, und sah zu Therava herüber, als würde sie sich ein Lob erhoffen. Ohne auch nur einen Blick an sie zu verschwenden, steckten die beiden Weisen Frauen die Köpfe zusammen und gingen plaudernd zu dem Tross der Shaido zurück. Die Aes Sedai wartete einen Augenblick lang, runzelte dann die Stirn und hob ihr Gewand, um so schnell sie nur konnte hinter ihnen herzueilen. Aber sie blickte mehr als nur einmal zurück. Faile hatte das Gefühl, dass sie es auch noch dann tat, nachdem der fallende Schnee einen Vorhang zwischen ihnen gebildet hatte.
Weitere Gai’shain kamen heran, ein Dutzend Männer und Frauen, und nur einer war ein Aiel, ein dürrer Rotschopf mit einer dünnen weißen Narbe, die sich von der Schläfe bis zum Kiefer hinunterzog. Faile erkannte klein gewachsene, blasse Cairhiener und möglicherweise Amadicianer oder Altaraner – sie waren größer und dunkelhäutiger – und sogar eine bronzehäutige Domani. Die Domani und eine der anderen Frauen trugen breite Gürtel aus funkelndem goldenem Kettengeflecht um die Taille; am Hals hatten sie Kragen aus dem gleichen Material. Einer der Männer ebenfalls! Aber egal, Schmuck an Gai’shain erschien im Augenblick nicht weiter von Bedeutung, in Anbetracht der Decken und Kleidung, die sie brachten, war es bestenfalls eine Merkwürdigkeit.
Einige der Neuankömmlinge trugen Körbe mit Brot und gelbem Käse und Trockenfleisch und die Gai’shain , die bereits mit ihren Lederbeuteln voller Tee vor Ort waren, sorgten für Getränke, mit denen man alles herunterspülen konnte. Faile war nicht die Einzige, die sich mit ungebührlicher Hast den Mund vollstopfte, während sie sich zugleich anzog, und zwar mit mehr Augenmerk auf Schnelligkeit als auf Schicklichkeit. Das weiße Gewand mit der Kapuze und die beiden dicken Untergewänder erschienen wunderbar warm, genau wie die dicken Wollstrümpfe und weichen Aiel-Stiefel, deren Verschnürung bis zu ihren Knien reichte – sogar die Stiefel waren weiß gebleicht worden! –, aber das konnte nicht das Loch in ihrem Leib füllen. Das Fleisch war so zäh wie Stiefelleder, der Käse beinahe steinhart und das Brot auch nicht viel weicher, und doch schmeckte es wie ein Festmahl! Ihr Mund sehnte sich nach jedem Bissen.
Während sie einen Mund voll Käse kaute, verknotete sie den letzten Stiefelriemen, stand auf und glättete das Gewand. Als sie nach mehr Brot griff, holte eine der Frauen, die Gold trugen – sie war pummelig, unscheinbar und hatte einen müden Blick –, aus dem Sack über ihrer Schulter einen der Gürtel aus Goldgeflecht. Faile schluckte hastig und trat zurück. »Ich möchte lieber keinen haben, vielen Dank.« Sie hatte das ungute Gefühl, dass es ein Fehler gewesen war, diese Schmuckstücke als unwichtig zu betrachten.
»Es spielt keine Rolle, was du willst«, erwiderte die Pummelige müde. Ihr Akzent war amadicianisch und gebildet. »Du dienst jetzt der Lady Sevanna. Du wirst tragen, was man dir gibt, und tun, was man dir sagt, oder man wird dich bestrafen, bis du deinen Irrtum einsiehst.«
Ein paar Schritte entfernt wehrte Maighdin die Domani ab und weigerte sich, den Kragen anlegen zu lassen. Alliandre wich mit erhobenen Händen und einem entsetzten Gesichtsausdruck vor dem Mann mit dem Goldgeflecht zurück. Er hielt ihr einen der Gürtel entgegengestreckt. Glücklicherweise sahen sie beide Faile an. Vielleicht hatten die Prügel im Wald doch
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